Werther.
Noch wenige Stunden, dann ist das Jahr 2014 Geschichte. Aus Wertheraner Sicht ein spannendes, von vielen Höhen und Tiefen gekennzeichnetes Jahr. Es gab mehrere, auch schwere Brände und Verkehrsunfälle, die Jugendfeuerwehr, das Haus Tiefenstraße, der Chor »TonArt«, die Tafel und der Waldkindergarten feierten runde Geburtstage, das Böckstiegel-Museum erhielt ein Gesicht und mit dem geplanten Baugebiet Blotenberg nebst dem Hof Overbeck gab es zwei Themen, die wie kaum andere in Politik und Bürgerschaft diskutiert und in Leserbriefen im Haller Kreisblatt kommentiert wurden. Was Werther noch bewegte und welche Herausforderungen 2015 auf die Stadt zukommen, verriet Bürgermeisterin Marion Weike HK-Redakteurin Anja Hanneforth im großen Interview zum Jahreswechsel.
Mit gewonnener Wahl haben Sie Ihre vierte Amtszeit angetreten. Kein bisschen amtsmüde?
MARION WEIKE: Kein bisschen. Mir machen meine Arbeit und die vielfältigen Kontakte mit den Bürgerinnen und Bürgern viel Freude. Die Arbeit als Bürgermeisterin bietet ein sehr breites und abwechslungsreiches Spektrum.
Obwohl die Mehrheiten stehen und alle Argumente hinlänglich ausgetauscht sind, war und ist die Bebauung des Blotenbergs Streitthema Nummer eins in
Werther.
Die Bebauung wird kommen, oder?
WEIKE: Davon ist auszugehen. Im Verfahren zur Aufstellung des Bebauungsplans haben wir zwei weitere Gutachten eingeholt. Unser Planungsbüro Tischmann und Schrooten wertet diese Gutachten aus und überarbeitet die Planung.
Wie geht es zeitlich weiter?
WEIKE: Im ersten Quartal 2015 wird der Planungsausschuss über das weitere Verfahren und die inhaltliche Planung beraten und beschließen.
Das zweite leidige Thema ist der Hof Overbeck. Es ist kein Geheimnis, dass das Denkmalamt mehr für erhaltenswert hält als die Stadt
Werther.
Wie sicher ist es, dass die Firma act’o-soft in den Hof Overbeck einziehen kann? Sie würde zwar die beiden Giebel erhalten, jedoch gern einen modernen Zwischenbau realisieren.
WEIKE: Im Planungsausschuss haben sich vier Fraktionen eindeutig für das Bauvorhaben der Firma act’o-soft ausgesprochen. Vor diesem Hintergrund werde ich im Januar erneut das Gespräch mit dem Landschaftsverband suchen. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir schnell ein positives Ergebnis für die Firma erzielen.
Wohnen am Blotenberg, Gewerbe an der Rodderheide: Wie sehen hier die nächsten Planungsschritte aus?
WEIKE: Beim Wohnbaugebiet Blotenberg geht es im Jahr 2015 zunächst um die Aufstellung des Bebauungsplans. Beim Gewerbegebiet Rodderheide sind wir deutlich weiter. Ende des Jahres hat die Stadt das Grundstück, das wir für die Erschließung noch brauchten, gekauft. Mit den erforderlichen Baumaßnahmen zur Erschließung können wir jetzt starten. Da wir das letzte städtische Gewerbegrundstück im Bereich des Industriegebiets Dammstraße verkauft haben, bieten wir in 2015 wieder Gewerbegrundstücke an.
Vorhaben wie der Blotenberg und die Rodderheide kosten viel Geld. Für 2015 kalkuliert die Stadt mit einem Fehlbetrag von 1,4 Millionen Euro. Lässt sich das vereinbaren?
WEIKE: Beim Blotenberg und bei der Rodderheide geht es um rentierliche Investitionen der Stadt. Wie bei den früheren Wohnbaugebieten kauft und entwickelt die Stadt Flächen, die sie dann wieder veräußert. In die Kalkulation der Verkaufspreise fließen die Ausgaben zum Beispiel für den Ankauf und die Planungskosten ein, so dass der städtische Haushalt dadurch nicht belastet wird. Beim im Wesentlichen durch Steuern finanzierten Ergebnishaushalt der Stadt, der die laufenden Aufwendungen und Erträge abbildet, sieht die Lage leider anders aus: Hier werden wir voraussichtlich in 2015 ein Defizit von 1,4 Millionen Euro haben, das wir durch die Reduzierung der Ausgleichsrücklage und der allgemeinen Rücklage noch ausgleichen können. Ein Großteil dieses »Haushaltslochs« entsteht durch die Abschreibungen, zum Beispiel auf städtische Straßen und Gebäude, die wir im neuen kaufmännischen Finanzmanagement seit 2008 ausweisen müssen, sowie durch steigende Umlagen. Eine Besserung wird voraussichtlich nur eintreten können, wenn der Bund - wie im Koalitionsvertrag versprochen - fünf Milliarden Euro für die Eingliederungsleistungen für Menschen mit Behinderungen übernimmt.
Zu einem positiven Thema: Die Realisierung eines Böckstiegel-Museums ist in greifbare Nähe gerückt. Was bedeutet das für Werther, und freuen Sie sich?
WEIKE: Ja, das ist eine sehr gute Nachricht für uns in
Werther.
Den ersten Spatenstich plant die Böckstiegel-Stiftung für das Jahr 2016.
Einer 25-köpfigen Jury fiel die Aufgabe zu, aus 34 Architekturentwürfen den geeignetsten auszuwählen. Sie gehörten auch dazu. Wie haben sie die Entscheidungsfindung erlebt? Taten Sie sich schwer damit?
WEIKE: Ich habe das erste Mal an einem Architektenwettbewerb teilgenommen. Eine wirklich spannende Erfahrung, gemeinsam mit den Fachleuten herauszuarbeiten, welcher Entwurf die Anforderungen an den Museumsbau am besten erfüllt. Das einstimmige Ergebnis für den ersten Preisträger ist wegweisend.
Werther darf sich seit 2014 offiziell »Die Böckstiegelstadt« nennen. Wann wird das an den Ortseingangsschildern sichtbar? Und wofür wird dieses Markenzeichen noch genutzt?
WEIKE: Seit vielen Jahren benutzen wir im städtischen Logo und auf den Ortseingangstafeln an den Hauptverkehrsstraßen den Namen »BöckstiegelStadt Werther«. Seit 2014 ist es nun auch unsere offizielle Stadtbezeichnung. Der Austausch der gelben Ortstafeln ist jedoch nicht vorgeschrieben und ist von der Verwaltung, da wir davon sehr, sehr viele haben, nicht geplant.
Nach Jahren des Stillstands und viel Ärger seitens der Anwohner sind die beiden Wohnkomplexe an der Weststraße nun in neuen Händen und werden abgerissen. Ein guter erster Schritt hin zu ... was?
WEIKE: Die neuen Eigentümer möchten nach dem Abriss auf dem Gelände zeitnah neue Wohngebäude entstehen lassen. Wir sind mit ihnen im guten Austausch, da voraussichtlich auch der Bebauungsplan geändert werden muss.
Einerseits gut, andererseits schlecht: Zwar gab es 2014 viele Kinder in Werther, aber zu wenig Plätze in den Kitas. In der ehemaligen Hausmeisterwohnung der Grundschule wurde im Sommer eine neue Gruppe eingerichtet. Eine Lösung mit Bestand?
WEIKE: Wir haben in sehr kurzer Zeit die Plätze in der neuen Gruppe anbieten können. Eine tolle Zusammenarbeit mit allen Beteiligten, denen ich nochmals herzlich danke, hat das möglich gemacht. Die Gruppe ist zunächst für drei Jahre geplant. Wir werden die Zahlen für die nächsten Jahre immer wieder neu auswerten müssen, um festzustellen, wie sich der Bedarf entwickelt und ob wir die Gruppe auch über die drei Jahre hinaus brauchen.
Die Einrichtung einer Gesamtschule in Halle scheint rechtlich geklärt. Damit könnten die von Ihnen benannten Gefahren für die Wertheraner Gesamtschule Wirklichkeit werden. Planen Sie, beim Oberverwaltungsgericht Berufung gegen die Entscheidung aus Minden einzulegen?
WEIKE: Zurzeit werten wir das Urteil aus. Zum weiteren Verfahren werden wir uns mit dem Kreis Gütersloh eng abstimmen.
2014 hat Werther das Klimaschutzkonzept auf den Weg gebracht. Hier stellt sich die Bevölkerung vor allem eine Frage: Wird es ein Windrad in Werther geben? Und wo?
WEIKE: Viele Möglichkeiten, Windräder in Werther zu errichten, gibt es schon aufgrund der Besiedelung und der rechtlichen Vorgaben nicht. Es kommt eine Fläche im Bereich der Rotenhagener Straße in Betracht. Dazu ist allerdings die Änderung des Flächennutzungsplans, die wir für 2015 geplant haben, notwendig.
Zum ersten Mal haben Sie in diesem Jahr am Böckstiegel-Lauf teilgenommen und die Zehn-Kilometer-Walking-Strecke unter die Sohlen genommen. Wie ist Ihnen der Lauf bekommen? Planen Sie eine Fortsetzung in 2015?
WEIKE: Die Walking-Strecke habe ich ohne Muskelkater gut überstanden. Wenn unser Landrat Sven-Georg Adenauer dabei ist, mache ich auch wieder mit.
Wie immer eine persönliche Frage zum Schluss: Sekt oder Selters, Salat oder Süßigkeiten - was steht beim Jahreswechsel auf Ihrem Tisch?
WEIKE: Mein Mann und ich treffen uns mit Freunden bei Buffet und Sekt.
Frau Weike, wir bedanken uns für das Gespräch.