Halle. So richtig kann Laura Bruning (25)
das alles noch gar nicht fassen. Am 1. Dezember hat die Hallerin ihren ersten eigenen Roman »Von Göttern aus Maschinen« herausgebracht. Die 200 Exemplare der ersten Auflage, die sie im eigenen Gorilla Verlag vertreibt, sind nach weniger als einer Woche fast vergriffen. "Auf-die-Fresse-Literatur" nennt die Masterstudentin das, was sie macht. HK-Mitarbeiter Florian Gontek sprach mit der jungen Autorin über Anfangseuphorie, Schockgeschichten und den Mut den es braucht, um solche zu schreiben.
Laura, du hast deinen ersten eigenen Roman »Von Göttern aus Maschinen« seit Anfang des Monats auf dem Markt. 200 Exemplare hattest du für die erste Auflage gedruckt, diese war in weniger als einer Woche fast weg. Überrascht?
LAURA BRUNING: Ja, auf jeden Fall. Die 200 Exemplare waren eigentlich für ein halbes Jahr oder für ein Jahr angesetzt. Ich war mir nicht sicher, ob die ganze Sache so viel Profit abwirft, dass ich wirklich weitermachen kann. Das jetzt alles schon nach weniger als einer Woche so gut läuft, ist natürlich toll - aber auch mit viel Stress verbunden. Die Arbeit war ja eigentlich für einen ganz anderen Zeitraum angelegt.
In deinem Roman wird die Problematik der digitalen Selbstdarstellung an der Figur Hedda Kolpe dargestellt. Warum genau dieses Thema?
BRUNING: Ich glaube, dass es da einen gravierenden Unterschied zwischen meiner Generation und der meiner Eltern gibt. Das Führen von Beziehungen ist in unserer Generation wirklich schwierig. Aufgrund der ganzen technischen Möglichkeiten kann ich heute viel zu viele Leute kennenlernen. Wir haben es nicht mehr eilig, uns an eine Person zu binden. Das macht vieles komplizierter. Das habe ich in diesem Buch auf der digitalen Ebene versucht darzustellen.
»Von Göttern aus Maschinen« ist dem in Deutschland recht unbekannten Genre des »Dark Drama« zuzuordnen, auf das du dich auch mit deinem Verlag spezialisierst. Was zeichnet diese Art von Literatur für dich aus?
BRUNING: Wir haben gerade erst an der Uni damit begonnen, das Dark Drama zu etablieren. Mark Wachholz (Anm. der Redaktion: ein deutscher Drehbuchautor und Filmtheoretiker) hat das Ganze mit einem Essay ins Rollen gebracht. Seine Ausführungen waren allerdings sehr allgemein, ich habe im Rahmen eines Seminars versucht, diese noch besser zu differenzieren. Dark Drama ist zum einen eine hart erzählte Geschichte realistischer Ereignisse, etwa die sehr krass dargestellte Tragödie. Eine weiterer Zweig ist das surrealistische Dark Drama, wo das Innenleben des Protagnisten erzählt wird und sich mit der Realität vermischt. »Von Göttern aus Maschinen« habe ich gar nicht auf das Dark Drama zugeschnitten geschrieben, vielmehr suchte ich lange nach einem Begriff für solch ein Genre. Es ist genau das, was ich immer machen wollte.
Wo spiegelt sich das in deinem Roman wieder und wo nimmst du die Geschichten her. Was inspiriert dich?
BRUNING: Das Buch war bereits fertiggeschrieben, da kannte ich den theoretischen Hintergrund des Dark Dramas noch gar nicht. Der Roman ist daher eine Mischung aus surrealistischen und realistischen Elementen. Ich habe eine sehr derbe, schonungslose Sprache benutzt. Das ist schon so angelegt, dass es möglichst verstörend und belastend auf den Leser wirkt. Ich nehme diese Dinge aus Gesprächen und Zeitungsartikeln, viele Metaphern auch aus der Biochemie und Astrophysik - es ist eine Anhäufung interessanter Sachen, die ich dann weiterspinne.
Wie lange hast du an deinem Roman gearbeitet?
BRUNING: Die Schreibarbeit dauerte etwa fünf Monate. Zwei Jahre lang habe ich das fertige Manuskript, überarbeitet, Testlesungen gemacht und geschaut, wie es ankommt - ob ich es auf den Markt werfen kann. Vorher hatte ich schon ein anderes Buch geschrieben, das komplette Gegenteil eines Dark Dramas, das ich aber aufgrund von Verlagsstreitigkeiten nicht veröffentlicht habe. »Von sterbenden Sternen« heißt es. Das lasse ich aber auch noch ein paar Jahre in meiner Schublade. In mein Verlagskonzept passt es nämlich eigentlich nicht.
Gutes Stichwort: Waren die Negativerfahrungen, die du bei deiner ersten Verlagszusammenarbeit gemacht hast, ein Grund dafür, nicht nur selbst zu schreiben, sondern auch selbst dein Buch zu verlegen?
BRUNING: Ja, auf jeden Fall. In der Uni habe ich in einem Seminar das Handwerk dafür gelernt, wie man einen Verlag führt und zusammen mit der Frustration im Hinterkopf habe ich dann versucht, meine eigene Richtung einzuschlagen. Mir ist kein Verlag bekannt, der gezielt belastende Geschichten druckt, nach denen man eigentlich nur noch weinen will. Für mich aber ist gerade das die spannendste Art von Geschichte. Ich wusste wie es geht, hatte ein Buch und ein Genre, für das es eine Marktlücke gibt - da musste ich es einfach machen.
Für deinen Gorilla Verlag suchst du noch Autoren, die in das Konzept deiner »Auf-die-Fresse-Literatur« passen. Was muss man denn als Autor mitbringen, um eine solche Art von Büchern schreiben zu können?
BRUNING: Eine ganze Menge Mut. Es fällt einem relativ leicht alleine in seinem Keller so etwas Fieses zu schreiben, das Vorlegen des Manuskriptes an Lektoren oder Familienangehörige ist dann schon schwerer. Da muss man zu stehen. Sehr belastend ist es auch, sich in die labilen Protagonisten hineinzudenken. Vergleichbar mit der Arbeit eines Schauspielers während einer intensiven Rolle. Auf der Homepage meines Verlages findet sich eine klare Anleitung dazu, wie man bei mir ein Manuskript einreichen kann. Also nur Mut, dann klappt das.
Was ist von dir als Nächstes geplant und wird die Geschichte von Hedda Kolpe noch weitererzählt?
BRUNING: Wir spinnen da gerade etwas herum. Ich weiß noch nicht, ob ich Hedda in einem anderen Buch weiterleben lassen oder in ihrem Universum eine andere Person beleuchten soll. Vielleicht taucht sie aber auch als eine Art Nebencharakter noch einmal auf. Wir haben noch ein paar kleine Extras für die Leser geplant: Vielleicht ein Interview mit Hedda. Am Dark Drama arbeite ich momentan wie verrückt und plane, auch meine Masterarbeit darüber zu schreiben. Ich möchte, dass das Hand und Fuß bekommt und mit den nächsten Veröffentlichungen versuchen, die Struktur des Genres zu unterstreichen und noch klarer zu machen.
¦ »Von Göttern aus Maschinen«, erschienen am 1. Dezember im Haller Gorilla Verlag, ist als Taschenbuch überall im Buchhandel, bei Amazon und auch direkt auf der Homepage des kleinen Verlages erhältlich. Es ist 168 Seiten stark und als Taschenbuch zum Preis von 11,99 Euro zu kaufen.