Geht man nach der Arzt-Einwohner-Relation, mit der die Kassenärztliche Vereinigung operiert, dann gibt es in Steinhagen zurzeit genügend Mediziner. Marco Luzius sprach von einem „optimalen Versorgungsgrad”. Das eigentliche Problem, so der Referent, seit die Altersstruktur der ortsansässigen Hausärzte. „25 Prozent sind älter als 65 Jahre. Weitere 25 Prozent im Alter zwischen 60 und 64 Jahren. Wenn die in den Ruhestand gehen, werden Nachfolger gebraucht. Und das wird schwierig”, weiß Marco Luzius.
Denn nach aktuellen Untersuchungen der Kassenärztlichen Vereinigung werden deutlich zu wenig Ärzte ausgebildet. Weiter lässt sich beobachten: Zwischen 70 und 80 Prozent der Studierenden sind Frauen. Und die peilen selten eine Vollzeitstelle an. Schon gar nicht in einer Ein-Frau-Praxis auf dem Land, wo sich Beruf und Familie unmöglich unter einen Hut bringen lassen. „Drei Viertel der Medizinstudenten möchten später am liebsten in einer Großstadt arbeiten. Und 90 Prozent wollen das am liebsten in einem kooperativen Verbund, zum Beispiel in einer Gemeinschaftspraxis”, zitierte Marco Luzius aus einer aktuellen Befragung von Medizinstudenten. „Nur neun Prozent möchten später überhaupt als Allgemeinmediziner arbeiten. Vielen ist das wirtschaftliche Risiko einer eigenen Praxis einfach zu hoch”, so der Kassenvertreter.
Die Maßnahmen, die Marco Luzius den Steinhagener Politikern ans Herz legte, machen deutlich, wie sehr der Berufsstand der Hausärzte bereits jetzt umworben wird. Kommunen könnten Ärzten Praxisräume zur Verfügung stellen und sich gleich mit um einen attraktiven Job für den Lebenspartner und die Kinderbetreuung kümmern.
In den Rathäusern wird außerdem über Filialpraxen nachgedacht. In ihnen ist der Arzt nur an einigen bestimmten Tagen vor Ort. Bei der Werbung um Mediziner rät Luzius außerdem zur interkommunalen Zusammenarbeit. So könnten zum Beispiel Facharztzentren entstehen, die für mehrere Städte und Gemeinden die ärztliche Versorgung abdecken.
Ein hausärztliches Versorgungszentrum plant bekanntlich Apotheker Lutz Heitland an der Bahnhofstraße auf dem Grundstück neben dem Feinkostgeschäft Vino Tessa. In dieser Organisationsform wird das wirtschaftliche Risiko für die Ärzte minimiert und es sind auch Teilzeitstellen möglich. „Wir stehen momentan in Verhandlungen und ich bin vorsichtig optimistisch, dass wir unsere Pläne realisieren können”, sagte Lutz Heitland gestern. Angedacht ist eine Praxis mit vier Hausärzten.
Die Steinhagener CDU drückt in puncto Ärztemangel aufs Tempo und fordert von der Verwaltung, sich aktiv an der Suche nach Medizinern zu beteiligen. Geht es nach der CDU, dann könnten auch finanzielle Anreize dafür im Haushalt bereitgehalten werden. Heinz Keuper von der CDU-Fraktion bedauerte, dass es keine medizinische Ausbildung in Ostwestfalen gibt. „Das wäre ein Vorteil für diese Region”, stimmte ihm Marco Luzius zu.
Immerhin: Der Wissenschaftsausschuss des nordrhein-westfälischen Landtags hat sich dafür ausgesprochen, Bochumer Studierenden die klinische Ausbildung in Ostwestfalen-Lippe zu ermöglichen. Das soll die künftigen Ärzte dazu motivieren, langfristig in der ländlichen Region zu bleiben.
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