„Die Schornsteinfeger kamen ursprünglich aus einem Dorf in Norditalien und waren früher fahrende Gesellen, die ihre Dienste auch in Deutschland anboten”, holt der 58-Jährige etwas aus. „In Italien gab es nämlich schon Mitte des 14. Jahrhunderts steinerne Schornsteine, die von den Einraumhäusern ausgingen. In Deutschland wurden die erst später gebaut.” Nun konnte und kann man diese Schornsteine, die im Durchmesser zwischen 45 und 60 Zentimeter groß sind, nicht selber reinigen, sondern es muss einer reinsteigen - ein Schornsteinfeger. Und der verrichtet einen Job, der Leben retten kann.
„Ruß brennt mit etwa 1500 Grad”, erklärt Bernd Blachetta, der 1970 zum damaligen Bezirksschornsteinfegermeister Georg Podewils in die Lehre ging. „Jetzt stelle man sich die alten Häuser im Mittelalter vor, beispielsweise am Haller Kirchplatz, deren Dächer allesamt noch mit Stroh gedeckt waren. Flog hier der Ruß mit seiner immensen Hitze aus den Schornsteinen heraus und landete auf den Dächern, konnten schnell das Haus und manchmal sogar ganze Stadtviertel abbrennen.” Das war auch der Grund, warum im späten Mittelalter die ersten Brand- oder Feuerordnungen erlassen wurden. Sie waren Bestandteil allgemeiner städtischer Ordnungen: „Die Bürger müssen seitdem die Schornsteinfeger in ihr Haus lassen. Und wer den Schornsteinfeger bei sich gesehen hat, hat eben Glück - weil man nach verrichteter Arbeit auf der sicheren Seite ist”, erklärt Bernd Blachetta.
Wenngleich die Schornsteinfeger heute nicht mehr in die Schornsteine hineinsteigen müssen, war dies bei Bernd Blachetta noch Gesellenprüfungsfach: Platzangst durfte man da nicht haben und Höhenangst schon gar nicht, sondern wendig musste man sein, denn nur mit einer ganz bestimmten Technik kamen die Schornsteinfeger bis nach oben: Mundtuch vorhalten und dann mit Hilfe eines Steigeisens ab in den Kamin. Augen schließen, die Ellenbogen in die Ecken drücken und die blanken Zehen in die Mauerritzen setzen, Knie anziehen - und wieder ein Stückchen höher schieben. „Eine anstrengende Angelegenheit”, zieht Bernd Blachetta die Stirn kraus und streicht sich über den Kopf, während er sich an den höchsten Schornstein erinnert, in den er mal geklettert ist: „Das war der vom Schloss Tatenhausen. 15 Meter hoch! Wenn du da oben angekommen bist, hängste aber erst einmal über dem Kamin und schnappst nach frischer Luft.” Aber damit erklärt sich auch die Geschichte, warum die meisten Schornsteinfeger heute noch barfuß unterwegs sind - obwohl sie ihre Zehen schon lange nicht mehr in Mauerritzen stecken müssen.
„Übrigens: Je kleiner der Schornsteinfeger, je größer waren seine Chancen, zügig oben anzukommen”, fügt Bernd Blachetta an, der laut Sollvorschrift Mitglied in der Freiwilligen Feuerwehr ist. Natürlich. Hier kann er neben den oftmals lebensrettenden Löschmaßnahmen nämlich weiteres wertvolles Wissen einbringen: „Selbstverständlich haben wir Schweigepflicht - aber wir kennen eben die Haushalte. Das kann im Notfall extrem hilfreich sein.” Und so mag es vielleicht wenig Glück bringt, den Schornsteinfeger zu berühren, aber ihn im Haus gesehen zu haben. Denn der holt den Ruß aus dem Schornstein!
↧