Viel sprach Regine Burg am Montagnachmittag im Haus Tiefenstraße von der Liebe Gottes und vom Auftrag, der der Kirche durch das Evangelium gegeben wurde. Weltfremdes Gerede allerdings war es nicht, was die Superintendentin des Kirchenkreises Bielefeld im Rahmen der Wertheraner Kamingespräche verlauten ließ. Vielmehr sprach die Theologin darüber, wie sie mit ihrem Team versucht, Menschen dort abzuholen, wo sie stünden, und mit Kreativität auf sich wandelnde Lebenssituationen der westlichen Gesellschaft reagiert.
Günter Frey und Willi Rose hatten als Organisatorenteam der Kamingespräche mit ihrer Einladung an Regine Burg ein glückliches Händchen bewiesen. Natürlich gab die Superintendentin auf die den Nachmittag überschreibende Frage »Wie viel Religion braucht die Gesellschaft?« eine sehr evangelische und kirchliche Antwort. So dass das Thema wohl eigentlich hätte lauten müssen: »Wie viel Kirche braucht die Gesellschaft und an welcher Stelle?«. Darauf allerdings hatte Regine Burg dann tatsächlich fundierte Antworten, basierend auf ihrem Berufsalltag in 18 Jahren als Gemeindepfarrerin und zwölf Jahren als Superintendentin.
Keinen Hehl machte sie aus dem Mitgliederschwund, an dem die innerstädtischen evangelischen Gemeinden in Bielefeld leiden. „Gerade Familien ziehen oft in den so genannten Bielefelder Speckgürtel, nach Werther oder Steinhagen”, wusste Burg zu berichten. Dass man in dieser Situation genau schauen müsse, was heute Aufgabe von Kirche ist und wie man sich ihr stellen könne. Heraus kam eine Agenda, die mit ganz praktischen Themen wie der Bereitstellung von Kindergartenplätzen beginnt, über Jugendarbeit, Beratung in Krisensituationen und Altenhilfe geht und mit dem großen Komplex »Einsatz für die Zukunft der Welt« endet.
Regine Burg sprach auch vom Stellung beziehen in einer Gesellschaft, in der der Staat grundsätzlich neutral sei und Politik sicher nicht zu den ersten Aufgaben von Kirche zähle. Trotzdem müsse eine Kirche, die Zukunft haben wolle, klar und eindeutig sein, wo sie durch das Evangelium dazu aufgerufen werde. Und das sei vor allem immer dann der Fall, wenn es um die Würde der Menschen gehe. Konkret etwa in der Frage, wie man mit Menschen, die Asyl suchen, umgehe.
Die Beispiele, die Regine Burg für die Anpassung von Kirche an die Lebensrealitäten der Menschen gab, zeugten von gesundem Pragmatismus. Etwa, wenn der mit G 8 obligatorisch gewordene Nachmittagsunterricht an weiterführenden Schulen mit Konfi-Camps an den Wochenenden oder in den Ferien an Stelle des traditionellen Konfirmandenunterrichts beantwortet wird. Oder der Kindergottesdienst auf den Samstag verlegt wird, weil der Sonntag in einer immer mehr Flexibilität fordernden Arbeitswelt in vielen Familien inzwischen der einzige Tag sei, den man noch entspannt und ohne Termindruck miteinander verbringen könne.
Die Bielefelder Superintendentin sprach noch über eine Reihe von Situationen, in denen Kirche aus ihrer Sicht gefordert ist zu reagieren. „Wir können Gottes Liebe nur weitergeben, wenn wir auf die Menschen zugehen”, formulierte sie ihren eigenen Anspruch an Kirche.
Das Verhältnis zwischen Kirche und Staat betrachtet Regine Burg offenbar als eines im Wandel. „Der Staat ist neutral, aber er kooperiert mit uns und mit ganz vielen anderen.” Es obliege ihm nicht zu entscheiden, welche Religion die richtige sei. Ein klares Votum gab die Superintendentin für den Religionsunterricht ab. Er sei Teil einer Bildungsarbeit, die helfe die abendländische Kultur zu verstehen. (Kerstin Spieker)
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