Versmold. Sein Arbeitsschwerpunkt liegt in Versmold. HK-Redakteurin Silke Derkum sprach mit dem neuen Mann an St. Michael über die Herausforderungen des modernen Priesterberufs, das Landleben und die Auswirkungen der Limburger Affäre.
Herr Krischer, vor gut zwei Monaten hatten Sie Ihren ersten Gottesdienst in Versmold und wurden der Gemeinde vorgestellt. Wie aufgeregt ist man bei so einem Anlass?
MICHAEL KRISCHER: Man ist, glaube ich, immer aufgeregt, wenn man an einen neuen Altar kommt. Man weiß nicht: Wie ist die Kirche? Wie machen die Leute mit? Jede Gemeinde ist anders.
Haben Sie zwischen den sechs Gemeinden, die zu Ihrem neuen Pastoralverbund gehören, etwa schon Unterschiede ausgemacht?
KRISCHER: Ja, beim Gesang hört sich jede Gemeinde anders an. Und jede Gemeinde kann andere Lieder.
Hat sich Ihr erster Eindruck vom Altkreis Halle nach drei Monaten bestätigt?
KRISCHER: Die ländliche Gegend hier gefällt mir sehr gut. Ich arbeite jetzt dort, wo andere Leute Urlaub machen. Man hat hier alles, was man braucht. Nur an die Entfernungen zwischen den Gemeinden habe ich mich noch nicht so gewöhnt. Das finde ich zurzeit noch ein bisschen unpraktisch, man muss seine Termine immer danach planen, wann man an welchem Ort sein wird.
Sie haben eine Wohnung in Versmold bezogen. Wird hier auch der Schwerpunkt Ihrer Arbeit liegen?
KRISCHER: Ja. Das liegt schon allein daran, dass Versmold von den anderen Orten weiter entfernt ist. Man fährt mal schneller von Steinhagen nach Halle. Aber von Versmold aus ist es für die Gemeindeglieder schwieriger, mal eben zum Gottesdienst in einen anderen Ort zu fahren. Und Pfarrer Dieste war es wichtig, dass die beiden Priester im Pastoralverbund von überall aus gut zu erreichen sind.
Der Pastoralverbund Stockkämpen umfasst ein großes Gebiet. Kann man da überhaupt Seelsorger sein und dem Einzelnen gerecht werden?
KRISCHER: Natürlich wünschen sich die meisten, dass alles so ist, wie es früher mal war. Das heißt, ein Pfarrer pro Kirchturm. Aber so ist es leider nicht mehr. Gleichzeitig möchte der Bischof nicht, dass additiv gearbeitet wird, also dass die Aufgaben von Personen, die wegfallen, vollständig von den anderen übernommen werden. Da muss man sehen, wie es möglich ist, eine gute Versorgung zu leisten und selbst dabei nicht kaputtzugehen.
Mit 34 Jahren gelten Sie in der katholischen Kirche als Nachwuchs. Was hat Sie zum Priesterberuf geführt?
KRISCHER: Ich bin im katholischen Bereich groß geworden, war Messdiener und habe Küsterdienste übernommen. Dabei hatte ich immer gute priesterliche Vorbilder, so dass ich mir irgendwann gut vorstellen konnte, diesen Beruf selbst zu machen.
Und haben sich Ihre Erwartungen im Laufe der Ausbildung erfüllt?
KRISCHER: Erfüllt haben sich die Erwartungen im liturgischen Bereich, also bei der Messe. In andere Bereiche muss man reinwachsen; Taufen und Beerdigungen zum Beispiel. Das übt man zwar im Priesterseminar, aber in der Realität ist das dann doch noch einmal anders. Was man nicht vorher lernen kann, das ist die Beichte. Da muss man seinen ganz eigenen Weg finden. Trotzdem würde ich insgesamt sagen, ich habe einen Traumberuf.
Was sind die Schwerpunkte Ihrer Arbeit? Wo wollen Sie in der Gemeinde Akzente setzen?
KRISCHER: Ich komme aus der Jugendarbeit und da möchte ich auch etwas machen. Auch wenn ich mich mit zunehmendem Alter von den Zeiten verabschieden muss, in denen ich eher Kumpel der Jugendlichen war. Aber auch die ältere Generation interessiert mich. In beiden Bereichen geht es mir nicht darum, etwas Neues zu etablieren. Ich gucke eher, was da ist und was man damit machen kann.
Wie schwer ist es in Zeiten, in denen die katholische Kirche nicht nur positive Schlagzeilen produziert, Leute für die Kirche oder den Glauben zu begeistern?
KRISCHER: Ich bin davon überzeugt, dass ich den Glauben nicht gut verstehen kann, wenn ich kein wirkliches Wissen da-rüber habe. Deshalb ist es mir wichtig, Wissen zu vermitteln.
Was heißt das konkret?
KRISCHER: Man kann das mit einer Kopie vergleichen. Wenn ich etwas kopiere und es dann weitergebe, der Nächste es wieder kopiert und weitergibt und so fort, dann wird die Kopie bei jedem Mal schlechter und vom Original ist nicht mehr viel zu erkennen. So ist es mit dem Glauben auch, viel Wissen darüber ist im Laufe der Zeit verloren gegangen. Und manche picken sich nur noch einzelne Teilchen he-raus. Das ist fatal. Leider habe ich kein Patentrezept, wie ich das immer auffangen kann. Das sind dann Momente, in denen ich an meinem Beruf zweifle.
Wie haben Sie die Affäre um den Limburger Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst erlebt?
KRISCHER: Ich kann nachvollziehen, dass Leute in Zeiten eines Papstes, der dazu aufruft, sich wieder auf die wesentlichen Dinge zu besinnen, das nicht verstehen. Da sind in Limburg einige Dinge nicht gut gelaufen. Was ich aber nicht gut finde ist, dass die Priester dort öffentlich gegen ihren eigenen Bischof schießen.
Welche Lösung sehen Sie?
KRISCHER: Jetzt ist unser Paderborner Weihbischof Manfred Grothe dort zur Klärung. Er ist sehr integer. Was bei seiner Prüfung herauskommt, wird stimmen.
Haben sich die Vorgänge in Limburg auch hier in der Gemeinde bemerkbar gemacht?
KRISCHER: Es gab natürlich auch hier fünf oder sechs Kirchenaustritte, aber ich denke, die Leute haben nach einem Grund gesucht. Mit dem Glauben selbst kann das nichts zu tun haben.
Sie kommen aus der Großstadt Dortmund ins tiefste Ostwestfalen. Vermissen Sie etwas aus dem städtischen Leben?
KRISCHER: Nein, gar nicht. Denn bevor ich nach Dortmund ging, war ich im tiefsten Sauerland. Der Wechsel von dort in die Großstadt war krass, deshalb finde ich es schön, dass ich nun hier bin.
Sie sind also eher ein ländlicher Typ?
KRISCHER: Ja, auf jeden Fall. Ein Ort, in dem jeder jeden kennt, wo man noch persönliche Kontakte hat, liegt mir mehr. Als beispielsweise vor einigen Wochen das Festival »Europa tanzt in Versmold« hier stattfand, klingelte auf einmal der Bürgermeister an meiner Wohnungstür, um mich noch kurzfristig dazu einzuladen. Das war mein bestes Erlebnis in 100 Tagen als Vikar (lacht). Das gäbe es in der Großstadt nicht.
Was tun Sie, wenn Sie nicht für Ihre Schäfchen im Einsatz sind? Gibt es überhaupt so etwas wie Freizeit für Sie?
KRISCHER: Das liegt ja an mir, wie ich meinen Kalender gestalte. Und ehrlich gesagt, finde ich es schön, morgens aus dem Haus zu gehen und abends erst wiederzukommen. Aber natürlich habe ich auch Freizeit und hier ist eine wunderbare Gegend zum Fahrradfahren, was ich sehr gerne tue.
Das ist doch sicherlich noch nicht alles?
KRISCHER: Ich informiere mich abends gerne im Internet oder telefoniere regelmäßig mit meinen Weihekurskollegen, meiner Familie und mit Freunden. Fernsehen mag ich nicht so sehr, außer sonntagabends den Tatort. Und dann sehe ich mir auch gerne Städte an, aber ich bin immer froh, wenn ich abends wieder zu Hause bin. (Silke Derkum)
↧