Werther. Groß war das Interesse an dem Thema, zu dem die AWO Kitas Speckfeld und »Bunter Sandkasten« in die Weststraße eingeladen hatten. Auf der Galerie hatten es sich die Väter und Mütter bequem gemacht, um einem ebenso interessanten wie launigen Abend zu folgen. Der erhobene Zeigefinger wurde am Donnerstagabend nicht benötigt. Stattdessen plauderte Harald Meves munter aus dem Nähkästchen, beruhigte die 30 Eltern mit der eigenen Erfahrung, Erziehungsfehler gemacht zu haben. Und beeindruckte mit der Erkenntnis, dass diese sich aufdecken und ändern lassen.
„Wer sich zu Hause einen Prinzen oder eine Prinzessin erzieht,”, so eines der Fazits von Harald Meves, „muss sich nicht wundern, wenn er oder sie auch Kaiserin werden will.” Der Adel - er pflegt für gewöhnlich, Bedienstete zu haben. „Na, und nun raten Sie mal, wer das dann ist”, brachte der Bildungsreferent der »Stätte der Begegnung« in Vlotho mit viel Humor zum Nachdenken.
Überblicksartig präsentierte er Theorien des Lernens. „Kinder lernen sehr früh, wie sie es schaffen, ihr Ziel zu erreichen”, brachte er das Lernen durch »Versuch und Irrtum« zur Sprache. Wie Erwachsene sich verhalten - der Nachwuchs speichert es, so Meves, „auf der Festplatte des Herzens ab”.
Kinder »scannen« ihre Eltern auf deren Vorbildfunktion, lernen am Modell. Es empfehle sich daher zu gucken, wie man selber ist und sich zu fagen, ob man das nachmachen sollte, führte Meves aus. „Kinder gleichen selbstlos die Defizite der Eltern aus”, stellte er fest.
Kinder werden eher im Überfluss als im Mangel groß
Noch vor 100 Jahren hätten Familien bis zu sechs Kinder großgezogen. „Heute sind es 1,38. Da ändert sich natürlich was.” Zu teilen oder zu warten würde manchen Kindern heutzutage deutlich schwerer fallen. Auch Regeln wären einigen Kindern nicht immer klar. „Wenn du fragst: »Willst du jetzt ins Bett gehen?«, muss man mit der Antwort auch leben können.” Warum das so sei? „Wir wollen uns nicht bei einem Machtwort erwischen.” Vielleicht aber, so überlegte der 59-Jährige weiter, sei man aber genau das seinem Kind schuldig.
Tendenziell älter seien Männer und Frauen heute, wenn sie Eltern würden. Es herrsche eine größere Sorge und Vorsicht ums Kind, ein höheres Problem- und Risikobewusstsein. „Außerdem gibt es im Vergleich zu früher mehr materielle Möglichkeiten. Die Kinder werden eher im Überfluss als im Mangel groß.” Doch auch das zeige Auswirkungen: „Manche Kinder verwechseln den Wunschzettel mit einem Bestellzettel”, sagte Meves mit Blick auf Weihnachten.
Nein, erläuterte er, es sei nicht gut, immer nur ums Kind zu kreisen. „Berufstätige haben da einen Vorteil. Die haben noch andere Wichtigkeiten im Leben.” Gut sei es, empfahl der studierte Sozialarbeiter, „sich eigene Ziele zu suchen.” Denn: „Was kann ich von Eltern lernen, die sich nur im Kreis drehen?”
Dem Kind etwas zuzutrauen und zuzumuten - davon profitiere der Nachwuchs langfristig. „Kinder haben das Recht, dabei zu sein”, plädierte er durchaus auch für Aufgabenverteilung im Haushalt. Denn: „Die Prinzessin auf der Erbse ist nicht alltagskompatibel.” (Alexander Heim)
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