Über 15 000 Reisekilometer haben wir hinter uns, als wir das rumänische Siebenbürgen, auch Transsilvanien genannt, erreichen. Historische Städte, die von den Siebenbürger-Sachsen im Mittelalter aufgebaut wurden, Kirchenburgen, jede Menge Dracula-Merchandise und die Karpaten mit ihren tiefen Wäldern, in denen Europas größte Braunbärenpopulation lebt, prägen das Bild der Region.
Ein Stück weiter gen Norden werden die Berge zu Hügeln, die Wälder zu Feldern. Dazwischen bahnt sich der Fluss »Kleine Kokel« seinen Weg. Hier liegt die 26 000 Einwohner fassende Stadt Tarnaveni, die aufgrund ihrer Geschichte auch einen deutschen Namen (Sankt Martin) und einen ungarischen (Dicsöszentmárton) hat. Auf dem sozialistisch anmutenden Ortseingangsschild wird auch Tarnavenis Partnerstadt Ronchin genannt: „So ist also der Zusammenhang”, wird uns klar. Halle und Tarnaveni verbindet die Partnerschaft zum französischen Ronchin. Durch Städtepartnerschaften entstehen weitere Freundschaften.
Es ist heiß in Tarnaveni. Da die Kleinstadt für die meisten Touristen kein Anlaufpunkt ist, ist ein Parkplatz im Schatten neben dem Park schnell gefunden. Auf eine erfrischende »Limonada« (selbst gemachte Zitronenlimonade) zieht es uns ins »Art Café«. Unter den Sonnenschirmen im Grünen sitzt auch die 18-jährige Andreea Jury. Sie leistet Cezar Saim (25) Gesellschaft, der im Café arbeitet. „Für junge Leute gibt es in Tarnaveni nicht so viel zu tun”, berichten uns die beiden auf Englisch. „Wir haben eine Disco, aber die ist nicht so gut. Zum Shoppen und um etwas zu erleben fahren wir nach Cluj, etwa 70 Kilometer von hier.”
„Halle? Nein, kenne ich nicht”, so Cezar weiter, als wir ihm von der Freundschaft zwischen seiner und unserer Heimatstadt erzählen. Aber die französische Partnerstadt Ronchin ist ihm ein Begriff.
Im Gegensatz zu Andreea und Cezar bietet der Ort für uns, die wir zum ersten Mal in Tarnaveni sind, doch ein nachmittagfüllendes Programm. Immer entlang der Hauptstraße schlendern wir vorbei an Tarnavenis Sehenswürdigkeiten: Die goldenen Kuppeln der orthodoxen Georgskirche glänzen in der Sonne, ganz anders sehen die mächtige, silberblaue St. Treime Kirche und die unitarische Kirche mit ihren spitzen Türmen aus. Neben grauen Hausfassaden, die zum Teil noch Aufschriften aus der Zeit des Kommunismus tragen, leuchten Gebäude in allen Farben. Nach der öden, unfreundlichen Zeit des Ceausescu-Regimes lechzen die Menschen hier nach strahlenden Farben, so scheint es uns. Bunt ist auch das Bild der Bewohner Tarnavenis: Man trifft Rumänen, Ungarn, wenige Deutsche und Tzigani in ihren farbenfrohen Kleidern.
Pause im »Hermanns«
So viele Eindrücke machen hungrig. Über der Bäckerei steht »Hermanns«. Mal wieder ein Hinweis darauf, dass in Siebenbürgen früher viele Deutsche lebten. „Das ist Strudel. Sehr lecker”, erklärt uns die Bäckersfrau. Genüsslich beißen wir in die mit Frischkäse gefüllten Blätterteigtaschen.
Zeit für Tarnavenis Stadtmuseum bleibt uns nicht mehr, denn wir wollen noch bis ins 50 Kilometer entfernte Sighisoara (Schäßburg) fahren, eine von zahlreichen mittelalterlichen Sachsen-Städten, die von Tarnaveni aus gut zu erreichen sind. Auch die Mineralquellen im nahen Kurort Bazna lohnen einen Besuch. Als wir aus der Stadt fahren, vorbei an einer fast verlassenen »Geister-Fabrik«, einer Herde Wasserbüffeln und Leuten auf Pferdekarren, die uns zuwinken, sind wir uns einig: Halle hat eine interessante »Freundschaftsstadt«, die auf einer Siebenbürgen-Reise als Abstecher nicht fehlen sollte.
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