Im zwölften Jahrgang müssen die Schülerinnen und Schüler eine Facharbeit schreiben. „Diese Arbeit ist nicht bei allen Schülern populär”, weiß Ulrich Fälker. Der Projektkurs »Die Alpen - Natur und Kultur im Hochgebirge« ist eine Alternative, weniger Arbeit oder Engagement fordert er aber nicht. „Zur Vorbereitung haben wir das gesamte Schuljahr über wöchentlich eine zusätzliche Unterrichtsstunde in Geografie und Biologie durchgeführt”, sagt Fälker. 21 Schüler im Alter von 17 bis 18 Jahren lassen sich davon nicht schrecken und machen mit.
Themen wie Klima, Höhenstufen, Landwirtschaft im Hochgebirge, Tourismus, Verkehrsprobleme im Alpenraum und die Besonderheiten Südtirols stehen auf dem Stundenplan. „Das war alles freiwillig und alle haben durchgehalten”, betont der Pädagoge. Umfangreich bereiten sein Kollege Matthias Färber und er die Gruppe auf die Alpenwanderung vor. „Dazu gehörte auch eine Probewanderung von Borgholzhausen nach Dissen, denn wer mit uneingelaufenen Schuhen in die Alpen geht, hat ein echtes Problem.”
In der letzten Schulwoche macht sich der Kurs per Zug auf nach Tirol. „Wir sind am Freitagabend mit dem Haller Willem in Borgholzhausen gestartet und oft umgestiegen, bis wir dann in Naturns im Vinschgau ankamen”, sagt Ulrich Fälker. Der 53-Jährige ist passionierter Wanderer und Fotograf und hat die Wanderung seines Kurses im vergangenen Jahr vor Ort vorbereitet. „Das obere Etschtal im Vinschgau ist eines der größten Apfelanbaugebiete Europas”, weiß er. Apfelexpertin Edith Schweitzer erläutert den Ostwestfalen die Besonderheiten dieser Intensivlandwirtschaft.
Am zweiten Tag der Wanderung geht es mit der Seilbahn auf den Meraner Höhenweg, der nach Katharinaberg im Schnals-tal führt. Am Weg liegen zahlreiche Bergbauernhöfe in meist steiler Hanglage. Viele sind über 200 Jahre alt und haben alte, denkmalgeschützte Holzhäuser. „Ohne Fördermittel und den Tourismus als Nebenerwerb wäre eine Existenz nicht möglich”, weiß Ulrich Fälker. Seine Kontakte vor Ort erlauben es sogar, dass die geteilte Gruppe auf drei Höfen übernachten und so einen hautnahen Eindruck vom Leben im Hochgebirge bekommen kann.
Der Eishof ist eine alte Alm, die auf 2 076 Metern Höhe liegt. Begleitet von zwei Führern des Naturparks Texelgruppe gelangt die Gruppe aus Borgholzhausen am dritten Tag dorthin. „Die Führer wurden uns vom Land Südtirol gesponsort”, sagt Ulrich Fälker hocherfreut. Die Pflanzenwelt des Hochgebirges steht an diesem Tag im Mittelpunkt. „Mit Bestimmungsbüchern lagen die Kursmitglieder auf dem Boden und fanden Almrausch, stängellosen Kristallinenzian, Gletscherhahnenfuß und andere standorttypische Pflanzen”, so der Geograf.
Nach der Biologiestunde im Hochgebirge bei Matthias Färber wartet noch eine sportliche Herausforderung auf die Gesamtschüler. Sie müssen noch einmal 800 Höhenmeter überwinden und erreichen mit der Stettiner Hütte den höchsten Übernachtungsplatz der Tour. Zum Greifen nah sind die 3 000er in der Umgebung wie Hochwilde, Hochweiße, Lodner und Tschigat, die von Aussichtspunkten aus bestaunt werden können. „Mit einigen Mitgliedern des Kurses bin ich von der Hütte aus noch bis zur Schneegrenze aufgestiegen”, so Ulrich Fälker.
Über 3 000 Höhenmeter werden erreicht, dann „reicht es irgendwann”. Ohne Ausrüstung ist das Klettern in Eis und Schnee einfach zu gefährlich und die größte sportliche Herausforderung steht der Gruppe am folgenden Tag noch bevor. „Wir sind erst 1 000 Höhenmeter ins Tal, dann 700 Höhenmeter bergauf und dann noch einmal 300 Meter bergab gewandert. Auch die sportlichsten Mitglieder des Kurses sind dabei an den Rand ihrer Leistungsfähigkeit gekommen”, erinnert sich Ulrich Fälker.
Die Stimmung bleibt sehr gut, alle helfen sich gegenseitig und außer einigen Blasen und einem umgeknickten Fuß gibt es keine Probleme. „17 der Schüler waren vorher noch nie in den Alpen und dafür haben sich alle sehr gut gehalten”, zeigt der 53-Jährige großen Respekt vor der Leistung seines Kurses. Die letzte Nacht der Wanderung verbringt der Kurs auf der Alm Oberkaser oberhalb von Meran. Den Wechsel in die laute und verkehrsreiche Stadt empfinden Schüler und Lehrer am anderen Morgen als unangenehm.
Per Nachtzug geht es zurück nach Borgholzhausen - denn hier hat die Gruppe noch einen wichtigen Termin. „Die Schulleitung hatte zur Bedingung gemacht, dass wir pünktlich zur Zeugnisvergabe wieder in der Schule sind.” Den Termin hält der Kurs am folgenden Morgen auch ein. Die Firma Leeker setzt einen »Sonderbus« ein, weil der Piumbus nur sieben Plätze hat. Ulrich Fälker bedankt sich bei Leeker ebenso wie beim Förderverein der Schule, der Gamaschen für die Wanderung bezahlt hat.
Im kommenden Jahr wird es eine Fortsetzung des Alpen-Projektkurses geben. Auch wenn die Schüler einen eigenen Kostenanteil von 350 Euro leisten muss-ten, gibt es jetzt schon mehr Bewerber als Plätze. „20 Schüler nehmen wir mit”, sagt Ulrich Fälker und freut sich schon auf die Alpentour 2014.
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