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Gebürtige Berliner werden echte Borgholzhausener

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Dass die alte und die neue Heimatstadt beide »B« als Anfangsbuchstaben haben, dürfte noch die größte Gemeinsamkeit sein. In Berlin teilen sich 3785 Einwohner durchschnittlich jeden seiner 892 Quadratkilometer, in Borgholzhausen wohnen insgesamt nur 8633 Menschen. Und die haben auf 56 Quadratkilometern Fläche vergleichsweise viel Platz. Berufliche Gründe waren ausschlaggebend für den Umzug von der Metropole in die Provinz. Und ein wenig Sorge, wie offen man in dieser Provinz homosexuellen Männern gegenüberstehen würde, hatten die beiden Neu-Borgholzhausener im Februar 2012 schon. Um dann angenehm enttäuscht zu werden. „Man muss dazu stehen, dann ist das kein Thema”, stellt Falk Kraus fest. Die sexuelle Präferenz spiele für fast alle Menschen, die sie bisher getroffen hätten, eine weitaus geringere Rolle als erwartet. Vielleicht ist das der Grund für eine weitere ganz überraschende Erkenntnis: „Die Schwulenszene ist selbst in Bielefeld sehr klein”, sagt Kraus. In Berlin ist das ganz anders und deshalb ist es auch viel einfacher, »unter seinesgleichen« zu bleiben. „Dort trifft man sich eher spontan. Hier muss mehr geplant werden”, hat er festgestellt. Der Gewöhnungsprozess verlief aber nach seiner Ansicht nicht einseitig. „Die offene, direkte Art des Berliners”, umschreibt er es mit unüberhörbarem Berliner Dialekt, sei aber auf eine große Herzlichkeit gestoßen, sagt er. Doch das Leben in einer kleinen Gemeinschaft, in der man sich stets wiedertrifft, unterscheide sich in einigen Aspekten gar nicht so sehr von dem in der Großstadt. „Die Leute bleiben in Berlin fast immer in ihrem Kiez. Und wenn man täglich im selben Laden kauft, wird man dort auch sehr bald wiedererkannt”, erklärt Falk Kraus eine Besonderheit des Großstadtlebens. Gegen diese Kiez-Regel haben die beiden in Borgholzhausen ganz bewusst verstoßen. „Was kann man denn hier so machen?”, mit dieser Frage tauchten sie in der Buchhandlung von Martina Bergmann auf. Und die besorgte ihnen die Freizeitkarte des Kreises Gütersloh ebenso wie einige Reiseführer über Ostwestfalen. Und kam dann zu dem Schluss, dass es das optimale Werk zum Thema noch nicht gibt. Diesen Zustand will sie beenden und ein eigenes Buch auf den Markt bringen - siehe dazu den Hintergrund-Kasten. Trotzdem haben die beiden schon eine ganze Reihe von Sehenswürdigkeiten erkundet. Das Kaiser-Wilhelm-Denkmal an der Porta Westfalica, Schloss Detmold oder auch das Bauernhausmuseum haben ihnen gut gefallen. In Borgholzhausen und der näheren Umgebung selbst sind es zum einen die Burg Ravensberg und zum anderen die vielen Bauerncafés, die sie für sich entdeckt haben. „Im Leben der Menschen hier spielen die Feste eine viel größere Rolle als in Berlin”, ist eine weitere wichtige Erkenntnis von Falk Kraus. Deshalb wollen sie beim Kartoffelmarkt diesmal auch unbedingt dabei sein und an diesem Wochenende keinen Heimweh-Besuch bei Freunden und Familie in der alten Heimat starten. Der würde sich ohnehin viel eher zu Christi Himmelfahrt anbieten: „Da haben wir wirklich einen Kulturschock erlitten”, sagt Kraus. In den neuen Bundesländern genießt der »Vatertag« Kultstatus - vor allem bei Männern. „Und hier ist das ein ganz normaler Familienausflugstag, staunt Falk Kraus auch heute noch, dass es nirgends Gruppen von Männern zu sehen gab, die mit einem gut gefüllten Bollerwagen voller Getränke durch die Landschaft zogen.

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