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Reinert nimmt seine Branche ins Visier

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So manches Mal hält Hans-Ewald Reinert inne, wägt die Formulierungen ab - und entscheidet sich doch immer für den Klartext. Seine Branche schont der Unternehmer nicht und spricht über die Marktentwicklung „Seit zwei Jahren sind die Absatzzahlen bei den Fleisch- und Wurstwaren in Deutschland rückläufig. 2012 hat der Markt 2,8 Prozent verloren, in den ersten sechs Monaten 2013 noch einmal 3,8 Prozent. Das bedeutet etwa den Umfang von vier großen Wurstfabriken”, zeigt Reinert auf und legt nach: „Die Branche steckt in der Krise - sowohl was ihre Zahlen als auch das Image angeht.” Denn mittlerweile mache die Fleischwarenindustrie den Investmentbankern am Ende der Beliebtheitsskala Konkurrenz. den enormen Druck „Am liebsten würden wir nur noch Bärchen und Sommerwurst produzieren”, gesteht Reinert offen ein. Denn schließlich habe sein Unternehmen bei Bärchen trotz der Branchenkrise in den vergangenen zwölf Monaten ein zweistelliges Absatz- und noch deutlicheres Umsatzplus erzielt. Die Bärchenprodukte bescheren dem Unternehmen mittlerweile 30 Millionen Euro seines Jahresumsatzes. „Das sind Marken, in denen Vertrauen steckt. Aber vielfach gelingt es der Industrie nicht, solche Marken im Handel zu platzieren”, so Reinert. Stattdessen würden die Hersteller mit ihren zahlreichen Handelsmarken ohne Identität zwischen den eigenen Lieferanten und dem Handel zerrieben, die mittlerweile selbst Fleischwerke betrieben. „Da gibt es für uns keine Marge und eigentlich keinen Markt”, sagt der geschäftsführende Gesellschafter. „Wir produzieren nur deshalb weiter eine große Produktpalette, weil wir unsere Kapazitäten auslasten müssen und als Mittelständler Verantwortung für unsere Mitarbeiter haben”, sagt Reinert. „Und weil wir immer die Hoffnung hegen, dass sich die Situation bessert. Aber dieses Geschäft ist teilweise ein Gewürge.” die Arbeitsbedingungen Der Druck auf dem Markt führe allerdings zu Lösungen auf Kosten der Mitarbeiter. „Da werden dann Werkverträge zu unsäglichen Bedingungen abgeschlossen oder unverantwortliche Löhne gezahlt”, sagt Hans-Ewald Reinert. Bei Reinert selbst liege die Quote der über Werkverträge ausgelagerten Tätigkeiten bei zehn Prozent - betroffen sind die Reinigung und die Zerlegung. „Natürlich arbeiten bei uns auch ausländische Arbeitskräfte über dieses Modell. Aber wir haben uns über die Vertragbedingungen und ihre Unterbringung informiert und das für gut befunden. Und der bei uns gezahlte Mindestlohn liegt übrigens bei 9,66 Euro brutto.” Auch ein Grund, warum Reinert für die Einführung eines generellen Mindestlohns plädiert: „Alleine deshalb, damit in der Branche Wettbewerbsgleichheit herrscht. Es gibt Konkurrenten mit einer Werkvertragsquote von 80 Prozent.” die Sommerwurst Das Produkt, dem der Fleischwarenhersteller seine Bedeutung verdankt, erlebte in den vergangenen drei Jahren eine Renaissance. „Wir hatten zuvor innerhalb von 20 Jahren stetig etwas Umsatz verloren. Das konnten wir seit dem Start unserer Sommerwurst-Kampagne vor drei Jahren wieder ausgleichen”, sagt Hans-Ewald Reinert. Dennoch könne man mit der Sommerwurst auch in Zukunft „nicht die Welt erobern”, stellt der Unternehmer klar. Sie bleibe ein Produkt aus Westfalen für Westfalen. Auch um nicht zu abhängig von den Bärchen-Produkten zu sein, müsse es Reinert deshalb gelingen, weitere Qualitätsmarken zu entwickeln. die Zukunftsaussichten „Es muss unser Anspruch als großes mittelständisches Unternehmen sein, gute Gewinne zu erwirtschaften, Fabriken auszubauen und auch im Ausland zu investieren”, sagt Hans-Ewald Reinert. 350 Millionen Euro Jahresumsatz erwirtschaftete die Gruppe 2012, um vier bis fünf Prozent wird sie 2013 zulegen - „weil wir Preiserhöhungen beim Rohstoff weitergeben konnten und unseren Produktmix angepasst haben”, so Reinert. Doch sei die Ertragslage verglichen mit früheren Jahren weiterhin „absolut unbefriedigend”. Und nun komme seit drei Wochen auch noch der höchste Stand der Schweinepreise aller Zeiten hinzu. „Der Rohstoff ist in Deutschland knapp wie nie, die Preise gehen hoch und wir müssen uns mit dem Handel darüber auseinandersetzen” - Reinert erwartet keine leichten Gespräche. Für ihn steht fest: „In dieser Krise wird es Gewinner, aber auch Verlierer geben.” Er möchte mit seinem Unternehmen zu denen gehören, „die am Ende dieses Prozesses noch Fleisch und Wurst produzieren.” das Kartellverfahren „Ich gehe davon aus, dass es Mitte 2014 abgeschlossen sein wird - dann haben wir endlich Planungssicherheit”, sagt Reinert. Liebend gern würde er den in der Warteschleife hängenden Anbau am Stammsitz in Angriff nehmen. „Aber dazu muss man planen können”, sagt der geschäftsführende Gesellschafter - und atmet erstmals durch. Er hatte sich eben einiges von der Seele geredet. ¦ Wirtschaft

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