Werther (anke).
Singen bringt Menschen zusammen und ist ein wichtiger Teil des kulturellen Lebens - auch inWerther.
Ein Chor, der diese Tradition schon seit 150 Jahren pflegt, ist der MGV Liedertafel. Am Samstag feierten die Sänger in einer Feierstunde im Haus Werther ihr stolzes Jubiläum mit geladenen Gästen. Ein großes Jubiläumskonzert wird es am 24. Oktober geben.Chorleiter Volker Schrewe blickte in seiner Begrüßung auf die Entstehung der Chorlandschaft in Deutschland und somit auch des MGV Liedertafel zurück. Schon 1792 wurde in Berlin die erste Singakademie gegründet, in der Männer und Frauen gemeinsam singen durften. Sie sei der erste Chor im heutigen Sinne gewesen. Bis dahin sei die Beschäftigung mit Kunst und Kultur den Adligen vorbehalten gewesen. Carl Friedrich Zelter war es, der 1809 schließlich den ersten Männerchor gründete.
Schrewe berichtete, dass der Bildungsgedanke der Singakademie sich ausbreitete und schließlich auch das platte Land erreichte. 1865 gründeten 16 Zigarrenarbeiter in der Gastwirtschaft »Zur Rose« eine Sangesbruderschaft - den späteren MGV Liedertafel. Mitglied konnte werden, wer mindestens 18 Jahre alt war und sich moralisch nichts hatte zu Schulden kommen lassen.
Volker Schrewe berichtete weiter von verschiedenen Singwettbewerben, dem ersten Sängerfest im Kreis Halle im Jahr 1879 und vom ersten Blotenbergfest im Sommer 1887. Er erzählte von den Kriegsjahren, in denen der Gesangsunterricht eingestellt, die regelmäßigen Treffen aber fortgeführt wurden. Der Chorleiter berichtete weiter von den ersten Satzungen, in denen die Qualität des Gesangs oberstes Ziel war. "Wer dreimal hintereinander nicht zu den Übungsabenden erschien, der wurde aus der Chorgemeinschaft geworfen", berichtete er. 1965, zum 100-jährigen Jubiläum des MGV, wurde dem Chor die begehrte Zelter-Plakette verliehen.
1981 verdunkelten erste Nachwuchsprobleme in den Reihen der Sänger den Himmel des MGV Liedertafel. Der Chor warb zum ersten Mal ganz aktiv um Mitglieder. 1983 wurde Volker Schrewe Chorleiter. 1987 fand das 100. und gleichzeitig letzte Blotenbergfest statt.
Regina van Dinther, Präsidentin des Chorverbandes NRW, machte in ihrem Grußwort auf die Bedeutung des Singens aufmerksam. Dem deutschen Volk gehe es zwar gut, es sei aber kein Anwachsen von Glück zu verzeichnen. Die virtuelle Welt im Computer und Smartphone könne die Geselligkeit eben nicht ersetzen. Das echte Leben komme zu kurz. "Unsere Aufgabe ist es, die Dörfer mit Leben zu füllen", sagte sie. Trotz sterbender Chöre sei es falsch, zu jammern. "Ein alter Chor ist immer noch besser als Menschen, die permanent auf dem Sofa sitzen."
Weitere Redner der Feierstunde waren Hannelore Petschulat, Vorsitzende des Sängerkreises Halle, die die Bereitschaft der Sänger hervorhob, sich für die Chorgemeinschaft einzusetzen. Und der stellvertretende Bürgermeister Udo Lange, der kundtat, sein Grußwort zunächst habe singen zu wollen, sich dann aber dagegen entschieden hätte. Nach verschiedenen Vertretern befreundeter Chöre und Vereine ergriff schließlich Rainer Torweihe, stellvertretender Vorsitzender des Sängerkreises Halle, das Wort. Er ehrte den Sänger Albrecht Heide für 60 Jahre Mitgliedschaft im Wer-theraner Chor. Heide wurde schon zwei Jahre nach seinem Eintritt in den MGV zum Schriftführer gewählt und bekleidete dann 36 Jahre lang verschiedene Vorstandsämter. Lange Zeit war er auch Vorsitzender des Chores.
Nach den Reden lud der MGV zum Imbiss ein, den das Restaurant Bergfrieden bereitgestellt hatte. Im Innenhof des Hauses Werther spielte die Bigband des evangelischen Gymnasiums unter der Leitung von Michael Henkemeier auf. Die Gäste der Jubiläumsfeier hatten außerdem die Gelegenheit, sich zahlreiche Zeitzeugnisse der Chorgeschichte anzusehen. Darunter viele Zeitungsartikel, Fotos, alte Liederbücher, Urkunden, Konzertplakate und auch die erste Satzung des Chores.