Von Johnny Dähne
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Werther.
Was haben die ersten Fußball-Mannschaften von TSV Bigge-Olsberg, SV Germania Bochum, FC Dahl/Dörenhagen und BV Werther gemeinsam? Professor Dr. Matthias Weigelt weiß die Antwort: Sie alle haben in der Spielzeit 2011/12 sämtliche Heimspiele gewonnen und gehören damit zu jenem erlauchten Quartett von insgesamt 715 A-Ligisten in Westfalen mit 100-prozentiger Siegquote.
„Für meine Weihnachtsvorlesung lasse ich mir immer etwas Besonderes einfallen. Vergangenes Jahr kam mir die Idee, den so genannten Heimvorteil, der in vielen Profiligen für nahezu alle Mannschaftssportarten erforscht ist, auf die Kreisliga A herunterzubrechen”, sagt Weigelt. Der in Bielefeld-Senne
lebende Sportpsychologie-Dozent der Universität Paderborn erforschte so, ob es analog zur Fußball-Bundesliga auch im unteren Amateurbereich einen Heimvorteil gibt. Diese Berechnungen werden in absolut (inklusive Unentschieden) und relativ (ohne Remis) unterschieden, wobei bei einer Prozentzahl von mehr als 50 Prozent Heimsiege von einem Heimvorteil ausgegangen wird.
„Es erschien mir wichtig, für diese viel größere Zahl an Fußballern im Vergleich zum Profibereich einmal zu klären, ob es sich dort genauso verhält”, beschreibt Weigelt die Beweggründe für seine Studie. Als Grundlage für seine Berechnungen nahm Weigelt die Saisonspiele 2011/12 aller Kreisligen in Westfalen. Bei 45 Staffeln von Ahaus bis Warburg macht das 10 646 Spiele, die bewiesen, dass es in allen Staffeln einen Heimvorteil gibt. „In der Bielefelder Staffel gibt es sogar einen absoluten Heimvorteil von 51,7 Prozent”, erläutert Weigelt.
Doch woher rührt dieser statistisch bewiesene Heimvorteil? Weigelt: „Es gibt drei positive Einflussfaktoren für die gastgebende Mannschaft im Profisport. Erstens: der Einfluss der Zuschauer. Zweitens: die Vertrautheit mit der Sportstätte. Und drittens: die Reisebelastung der Auswärtsmannschaft.” Da jedoch die Faktoren Zuschauerzahl, die bei einem typischen Kreisliga-Spiel im Vergleich zu einer Bundesliga-Begegnung eher gering ausfällt, und die Reisebelastung zum Auswärtsspiel, die ebenfalls nahezu wegfällt, ausscheiden, liegt die Begründung für den Vorteil in der Vertrautheit mit der Sportstätte.
Auf eigenem Platz kennen Kicker jedes Loch im Rasen
„Darunter versteht man die Eigenarten”, erläutert Weigelt. „In der Kreisliga A ist vieles nicht so standardisiert wie in der Bundesliga, es kann vielmehr Abweichungen im Vergleich zu Auswärtsspielen geben. Es ist eben nicht nur sprichwörtlich so, dass man als Spieler jedes Loch im Rasen kennt.”
Genau diesen Punkt kann Werthers Trainer Andreas Bartling nur bestätigen. Bartling, der mit seinem Team in der vergangenen Saison 15 von 15 Heimspielen auf dem Wertheraner Kunstrasenplatz gewann und auch dank dieser 100-Prozent-Heimsiegquote in die Bezirksliga aufstieg, erklärt: „Den Kunstrasenplatz kennen wir seit Jahren als Trainings- und Spielstätte. Mit der Zeit haben wir unsere Taktik auf den relativ schmalen Platz so verfeinert, dass wir Vorteile erzielen können.”
Damit meint Bartling insbesondere seine Dreier-Abwehrkette, auf die er bei den Heimspielen auf dem im Vergleich zu anderen Plätzen schmaleren Kunstrasen umstellt. „Durch die geringere Breite reicht uns eine Dreier- statt einer Viererkette. So können wir einen Spieler ins Mittelfeld ziehen und haben dort ein ständiges Übergewicht”, erläutert Bartling. Auch eine Liga höher greift diese Wertheraner Spezialität: Bisher hat der BV stolze 75 Prozent der Partien am heimischen Meyerfeld gewonnen, zuletzt sieben in Serie.
Wie außergewöhnlich die Wertheraner Heimbilanz in der vergangenen Saison war, verdeutlicht diese Aussage Weigelts: „Das ist eine ganz seltene Serie, die man so im Profisport eigentlich nie findet.”