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Prägende Begegnungen

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Aus Dobczyce (Polen) berichtet HK-Mitarbeiterin Rita Sprick Dobczyce/Versmold. Bis vor einigen Tagen hätte ich nicht gedacht, dass sich anfangs wildfremde Menschen schon nach vier Tagen herzlich in den Armen liegen und zum Abschied sogar Tränen vergießen können. Aber genau diese Gefühlsausbrüche erlebte ich bei meinem ersten Besuch in Polen mit dem Freundeskreis für die Städtepartnerschaft Versmold/Dobczyce. Bisher kannte ich Polen mehr oder weniger nur von der Landkarte oder aus den Medien. Schon lange wollte ich etwas über das Land und insbesondere über Versmolds Partnerstadt Dobczyce und deren Einwohner erfahren. Mit dem 20-jährigen Bestehen des Vereins für die Städtepartnerschaft Versmold/Dobczyce bot sich nun die Gelegenheit, denn der Verein organisierte eine viertägige Bustour nach Dobczyce, Breslau und Krakau. Mit einem Gefühlsmix aus Aufregung, Vorfreude und Ungewissheit startete ich mit rund 70 anderen Versmoldern zur etwa zwölfstündigen Fahrt im Doppeldeckerbus ins 1000 Kilometer entfernte südliche Polen. Mit dabei war auch der Musikzug Osterweg, der vor Ort mit Dobczycer Feuerwehrleuten ein Konzert veranstaltete. Am stärksten war ich von der Herzlichkeit meiner Gastfamilie beeindruckt. Wie selbstverständlich überließen uns Andrzej Kasprzyk, ehemaliger Vizebürgermeister und einer der maßgeblichen Initiatoren der Städtepartnerschaft, und seine Ehefrau Lucyna für drei Nächte ihr Schlafzimmer. Ich war beeindruckt von ihrer Gastfreundlichkeit, und wir unterhielten uns lange und ausführlich über Privates und Politisches.

Perfekt mit dem Hund kommuniziert

Dabei stellten wir viele Gemeinsamkeiten zwischen unseren Kulturen fest. Leider gehört die Sprache nicht dazu und so lachten wir oft beim Versuch, uns auf Deutsch, Polnisch oder Englisch auszutauschen. Als hilfreich erwies sich dabei die moderne Technik und so lieferte uns ein PC-Übersetzungsprogramm sekundenschnell die gesuchten Vokabeln. Nur mit Hündin Molly gab es keine Sprachbarrieren. Die Kommunikation erfolgte durch Bellen ihrerseits und Streicheleinheiten meinerseits. Neben offiziellen Empfängen bewegten mich auf der Reise besonders die kleinen Gesten. So etwa der Moment, als der anfangs eher zurückhaltende vierjährige Enkelsohn der Gastgeber mich zum Frühstück im akzentfreien Deutsch mit "Guten Morgen" begrüßte. Oder als wir mit der ganzen Versmolder Reisegruppe einen Kindergarten besuchten und mich ein Junge namens Karol mit strahlenden Augen anschaute und mir zuwinkte. Respekt empfinde ich dafür, was der im Januar verstorbene langjährige Bürgermeister Dobczyces, Marcin Pawlak, in dem 6000-Einwohner-Städtchen hinterlassen hat. Es herrscht in Dobczyce eine spürbare Aufbruchstimmung, gepaart mit einer beeindruckenden Willenskraft der Einwohner. Pawlak hat zusammen mit Gleichgesinnten dem eher unscheinbaren Ort durch ein breites Kulturangebot und eine blühende Wirtschaft eine Zukunft gegeben.

Wir räumen unser Schlafzimmer

Am Ende der Reise stellte ich für mich aber vor allem eins fest: Freundschaft und Verständigung können so einfach sein. Menschen aller Generationen müssen einfach nur ohne Vorbehalte aufeinander zugehen und ihr Herz sprechen lassen. Ich habe in vier Tagen liebenswerte und aufgeschlossene Menschen kennen gelernt, die ich nicht mehr missen möchte. Wenn ich an den bewegenden Abschied mit vielen Umarmungen und an die vielen Geschenke denke, die mir mit auf den Weg gegeben wurden, werde ich ganz sentimental. Eins ist aber schon jetzt ganz klar. Dies war für mich zwar die erste, aber ganz sicher nicht die letzte Reise nach Dobczyce. Bis es so weit ist, freue ich mich auf den zugesagten Gegenbesuch der Kasprzyks anlässlich der polnischen Woche in Versmold. Selbstverständlich werden mein Mann und ich dann ebenfalls unser Schlafzimmer räumen.

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