Von Marc Uthmann
Halle. Es war sein erster Auftritt vor den Aktionären als Chef. Bei der 25. Hauptversammlung der Gerry Weber International AG ging es für Ralf Weber deshalb darum, Zeichen zu setzen. Und das tat der seit Januar amtierende Vorstandsvorsitzende bereits, ehe der die Bühne betrat.
"Wir wollten doch schneller werden", setzte der 51-Jährige vor Versammlungsbeginn den Schlusspunkt unter eine Debatte des Organisationsteams. Es ging darum, wann die Hauptversammlung im kommenden Jahr angesetzt werden soll. Und so verkündete der Aufsichtsratsvorsitzende Dr. Ernst F. Schröder genau das: Auch 2016 werden die Aktionäre bereits im April zusammenkommen und nicht mehr wie in den vergangenen Jahren im Juni.
Das Event-Center war gestern wohl auch deshalb so gut gefüllt, weil sich die Anteilseigner ein Bild vom neuen Vorstandsvorsitzenden und seinem Auftreten machen wollten. Entsprechend angespannt wirkte Ralf Weber zunächst, als das tausendfache Klirren der Kaffeetassen verstummt war und alle auf ihn schauten - und nicht auf Vater und Unternehmensgründer Gerhard, der zwei Plätze weiter auf dem Stuhl des Aufsichtsrates saß. Doch sehr klar und ganz nach dem Geschmack der Börse offensiv formulierte er dann den Anspruch des Modekonzerns Gerry Weber mit 5200 Mitarbeitern: "Wir wollen ein Global Player der Modebranche werden."
Und noch einmal betonte Ralf Weber: Das Herz dieses Weltkonzerns, der nach dem Zukauf des Münchener Unternehmens Hallhuber im kommenden Geschäftsjahr die magische Umsatzgrenze von einer Milliarde Euro anpeilt, schlägt weiterhin in Halle. Dafür bürgt das neue Logistikzentrum, das derzeit im Künsebecker Gewerbe- und Industriegebiet Ravenna-Park entsteht und ab Ende des Jahres schrittweise in Betrieb genommen wird. Immerhin um 20 bis 25 Prozent sollen die Logistikkosten dank der neuen Organisation künftig sinken, "wir wollen jährlich einen mehrstelligen Millionenbetrag einsparen", sagte Ralf Weber gegenüber dem Haller Kreisblatt - und betonte auch die 200 neuen Arbeitsplätze, die entstehen werden.
90 Millionen Euro investiert das Unternehmen wie berichtet in den Großbau. Bei der Finanzierung hakte die Geschäftsführerin der Deutschen Schutzgemeinschaft für Wertpapierbesitz (DSW), Jella Benner-Heinacher, auf der Hauptversammlung dann aber doch nach: 75 Millionen Euro habe die Gerry Weber International AG über ein Schuldscheindarlehen finanziert - also erstmals in großem Umfang "Schulden gemacht". Hier war es an Ralf Webers für die Finanzen zuständigem Vorstandskollegen Dr. David Frink, für das Unternehmen zu argumentieren: "Wir haben nicht zum ersten Mal so finanziert und auch ein weiteres solches Darlehen für den Kauf von Hallhuber und die normalen saisonalen Aufgaben aufgenommen." Die Zinskonditionen seien günstig und machten die Entscheidung wirtschaftlich absolut sinnvoll.
Und auch bei der nächsten Kritik von Aktionärsschützerin Benner-Heinacher sprang einer von Ralf Webers Mitstreitern in die Bresche. "Sollte der neue Vorstandsvorsitzende seine Kraft nicht zu 100 Prozent in den Dienst des Unternehmens stellen?", meinte die DWS-Geschäftsführerin mit Blick auf die verschiedenen Posten des Chefs. "Ralf Weber wird auch in Zukunft Turnierdirektor der Gerry Weber Open bleiben und hat gleichzeitig - wie bisher - genug Zeit für seine Vorstandsaufgaben", bekräftigte der Aufsichtsratsvorsitzende Ernst F. Schröder.
Nach der Versammlung, bei der die Anteilseigner eine konstante Dividende von 75 Cent je Aktie präsentiert bekamen, nahm sich der neue Chef die Zeit für Einzelgespräche. Und nutzte auch im kleinen Kreis die Chance, Verbundenheit mit dem Familienunternehmen und der Heimat zu dokumentieren: "Durch die Entscheidung für den Ravenna-Park wollten wir ein Zeichen in Halle setzen." Die Symbolik stand gestern in der Tat im Mittelpunkt. Auf großer Bühne wie hinter den Kulissen. ¦ Wirtschaft