Quantcast
Channel: Haller Kreisblatt
Viewing all articles
Browse latest Browse all 3262

Streit um Nölkes neuen Besitzer

$
0
0
Versmold (sim). Ganz offensichtlich war Bürgermeister Michael Meyer-Hermann nicht begeistert, als er vor wenigen Tagen in der Zeitung zu lesen bekam, wie die Versmolder SPD-Spitze über den neuen Nölke-Eigentümer Clemens Tönnies denkt. Und auch nicht davon, welche Vorwürfe die Lokalpolitiker in Richtung Meyer-Hermann selbst vorbrachten. Doch anstatt, dass sich am Dienstagabend im Hauptausschuss die Gemüter beruhigten, kochten die Emotionen erneut hoch. "Die SPD sollte sich fragen, wie sich die Menschen fühlen, die öffentlich angegriffen werden", sagte Michael Meyer-Hermann. Denn Fraktionsvorsitzende Liane Fülling und ihr Stellvertreter Jan Ziervogel hatten vor allem gegen Clemens Tönnies persönlich hart ausgeteilt. Dessen Name ließe "Böses erahnen" und die 200 von einer Kündigung betroffenen Nölke-Mitarbeiter seien ihm "egal", hatten sie in einem Pressegespräch zu Protokoll gegeben. Auch der Bürgermeister wurde kritisiert, da dieser noch zwei Wochen bevor die Kündigungsabsichten bekannt wurden, auf einer Ratssitzung berichtet hatte, er sei nach einem Gespräch mit Clemens Tönnies positiv für den Nölke-Standort Versmold gestimmt. "Als ich mit Tönnies gesprochen habe, waren die Verhandlungen zwischen Geschäftsleitung und Betriebsrat noch nicht abgeschlossen. Es stand mir deshalb nicht zu, in einer öffentlichen Sitzung etwas dazu zu sagen", verteidigte sich Meyer-Hermann. Die gesamte Situation sei "schrecklich für die Betroffenen", trotzdem sei es gut, dass das Traditionsunternehmen überhaupt bestehen bleibe. Mit "Angriffen auf den Unternehmer und mit Klassenkampfparolen" sei niemandem geholfen, so Meyer-Herman

"Klassenkampfparolen helfen keinem"

Der angesprochene Jan Ziervogel, der in Vertretung von Liane Fülling an der Sitzung teilnahm, empörte sich über die Bezeichnung "Klassenkampfparolen" und rechtfertigte sich: Wer Nölke kenne, wisse, dass es dort nicht an Arbeit mangele, sondern dass nun Leiharbeiterstrukturen etabliert würden. Trotzdem könne man sich nicht zu derartigen Aussagen hinreißen lassen, schalt Heiner Kamp (FDP), um dann seinerseits zu bilanzieren, dass "einer in der SPD lügt". Zum Beleg zitierte er einen Zeitungsbericht über den Besuch von SPD-Chef Sigmar Gabriel bei Tönnies in Rheda. Bei dieser Gelegenheit hatte Gabriel im Februar dem Schlachtunternehmer sogar eine Vorreiterrolle bei der Behandlung der Werkvertragsarbeitnehmer bescheinigt. "Wer sagt nun die Wahrheit? Gabriel oder die Versmolder SPD?", fragte Kamp. Durch die Vorwürfe der Sozialdemokraten, die hinsichtlich der Nölke-Kündigungen von einer "krassen Form von Kapitalismus" und negativen Folgen für die Gesellschaft gesprochen hatten, würden Investoren in Versmold abgeschreckt, befürchtete Kamp und fragte: "Was wäre passiert, wenn Tönnies nicht investiert hätte?" Jeder wisse doch, wie vielschichtig die Gründe für die Lage des Unternehmens seien. "Ich halte es für Wahnsinn, was da passiert und wie mit den Mitarbeitern umgegangen wird", hielt Patrick Schlüter, ebenfalls stellvertretender SPD-Fraktionsvorsitzender, dagegen. Es sei schade, dass die Gesellschaft keine Antwort auf das Leiharbeitsproblem habe, "und ich finde, es ist moderne Sklaverei", sagte

"Wahnsinn, was da bei Nölke passiert"

Rückendeckung für die SPD gab es von den Grünen. "Als wir gehört haben, wer die Firma kauft, waren wir nur entsetzt", sagte Hans Kahre. "Tönnies war das Schlimmste, was uns passieren konnte." "Es ist nicht schön, was da passiert", bestätigte auch Ulrich Wesolowski (CDU),  "aber ich kann es nicht wirklich einschätzen und bewerten, dafür bin ich zu weit weg", sagte er. Grundsätzlich sei aber mit Streit den Leuten nicht geholfen, da sei es besser, Angebote zu machen. Das griff auch der Bürgermeister abschließend auf. "Wir helfen gerne gemeinsam", sagte er, nachdem er eingangs kritisiert hatte, dass die SPD das Hilfsangebot der Stadt gegenüber ihrem eigenen abwerten würde. "Wir werden das Ohr am Betriebsrat haben, aber auch das Gespräch mit dem Eigentümer suchen", schloss Meyer-Hermann das Streitgespräch der Lokalpolitiker.

Viewing all articles
Browse latest Browse all 3262