Von Jonas Damme
Steinhagen. »Fliegeralarm« ist oft der erste Gedanke, wenn einmal im Monat freitags um 18 Uhr die Sirenen in der Gemeinde erschallen. Wenn man sie denn hört. Das ist nicht selbstverständlich, existieren von den einstmals 32 »Pilzen« doch nur noch elf. Und selbst von denen funktionieren nur noch fünf. Der Rest wird jetzt repariert, längerfristig werden wieder zusätzliche angeschafft. Grund ist eine Gesetzesnovelle der Bundesregierung.
Bis in die 90er Jahre hinein waren der regelmäßige Probealarm der Sirenen auf Deutschlands Dächern - und in seltenen Fällen auch deren Einsatz im Ernstfall - selbstverständlich. "Im Zweiten Weltkrieg gab es den Fliegeralarm, bis in die 90er Jahre gab es die Bedrohung durch den Kalten Krieg", sagt Erwin Rellmann, der im Steinhagener Ordnungsamt für die Sirenen zuständig ist. Dann seien aber zwei Dinge zusammengekommen, die dazu geführt haben, dass die Sirenen an Bedeutung verloren haben: Der Kalte Krieg war irgendwann Geschichte und der technische Fortschritt machte mobile Kommunikation möglich. Die Feuerwehrleute, die lange mit Sirenen verständigt worden waren, bekamen mobile Melder. Und auch beim Katastrophenschutz setzte man darauf, die Bürger ausreichend schnell via Radio und Fernsehen alarmieren zu können.
In der Folge entschied die Bundesregierung 1992, dass das Warnsystem per Sirene nicht mehr zeitgemäß sei und stellte die Finanzierung der Anlagen ein. Die Gemeinde Steinhagen entschied trotzdem, elf Sirenen auf eigene Kosten weiter zu finanzieren.
Die vorgebliche Tatsache, dass man auf die Warnungen verzichten kann, hat das Landesinnenministerium bereits 2009 in Frage gestellt. Kommunen wurden aufgefordert, ein »flächendeckendes modulares Warnsystem« bereitzustellen. Dieses neue System setzt gleichermaßen auf moderne Technik wie auch auf bewährte.
Ein Kernproblem bei der Katastrophenwarnung ist das rechtzeitige Erreichen von Bürgern bei Nacht. "Wer schläft, dem helfen Radio und Handy nicht", erklärt Rellmann. Nur eine flächendeckende Beschallung mit Sirenen könne den Großteil der Bürger erreichen - auch nachts. Bereits seit 2013 arbeitet man nun an dem Notfallplan.
Noch in diesem Jahr sollen alle elf Steinhagener Sirenen wieder funktionstüchtig gemacht werden. Drei davon stehen in Brockhagen, drei weitere in Amshausen und der Rest im Zentrum. Mangels Notwendigkeit hatte man den Wartungsvertrag vor zehn Jahren gekündigt. Sechs der verbliebenen Sirenen sind in der Folge ausgefallen.
Wie viel Arbeit die Reparatur erfordert, muss sich noch zeigen. Längerfristig sollen sogar noch weitere Sirenen aufgestellt werden, aber keine 32 Stück wie in den 60er Jahren, als das ursprüngliche System gebaut wurde. "Die Sirenen haben heute eine höhere Reichweite", erklärt Ordnungsamtsleiterin Ellen Stephan. Lautstärke und Tonverteilung seien verbessert worden. "Insgesamt sieben Sirenen zusätzlich werden wir deshalb in den kommenden Jahren aufstellen", kündigt die Ordnungsamtsleiterin an. Die Kosten für Instandsetzung und Anschaffung werden sich vermutlich im fünfstelligen Bereich bewegen. Alle Bürger im Falle einer großen Katastrophe sofort wecken zu können, bleibe allerdings utopisch. "Wir haben früher nicht alle erreicht", sagt Rellmann, "und werden das auch in Zukunft nicht."
Gleichzeitig testet das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe - unter anderem in Versmold - ein neues digitales Warnsystem. Über eine App fürs Smartphone erhalten die Besitzer einen Alarm auf ihr Handy und werden gleichzeitig mit präzisen Schadensmeldungen und Verhaltensaufforderungen versorgt.
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