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Des einen Freund, des anderen Leid

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Von Rolf Uhlemeier

Halle-Bokel. Es ist ein beeindruckendes Naturschauspiel, wenn 500, 600 oder vielleicht sogar an die 1000 Stare in der Dämmerung über dem Haller Ortsteil Bokel kreisen. Die markant gepunkteten Sperlingsvögel sammeln sich über der Haferstraße und fliegen ihre Schlafplätze in einem rund 100 Quadratmeter großen Bambusfeld der Familie Krautkrämer an. Nicht alle Anwohner erfreuen sich in diesen Tagen an den besonderen Übernachtungsgästen. Sie fühlen sich durch die Hinterlassenschaften der Vögel auf Dächern, Photovoltaik- und Solaranlagen, auf Dachfenstern, Markisen, Fassaden Wintergärten und auf ihren Autos enorm beeinträchtigt.

"Es waren immer Stare hier, aber seit Anfang des Jahres sind es deutlich mehr geworden", sagt Barbara Wierutsch und ergänzt: "Unser Haus liegt direkt in ihrer Einflugschneise." Auch Nachbarin Hiltraud Härtel bestätigt, dass die Verschmutzung durch den Vogelkot stark zugenommen hat: "Wenn man von ein paar Hinterlassenschaften spricht, so ist das schon sehr verharmlosend." Barbara Wierutsch hat Bilder gemacht, auf denen die Ausscheidungen der Vögel deutlich zu sehen sind. Und Günther Wierutsch erklärt: "Wenn es ein paar Tage nicht regnet, dann ist unsere Photovoltaikanlage dicht mit Vogelkot übersät." Hiltraud Härtel stört vor allem die Verschmutzung des Sandsteinmauerwerkes ihres Hauses und der Holzverkleidungen: "Das geht auch durch den Regen nicht ganz weg. Es bleibt immer etwas zurück." Barbara Wierutsch befürchtet gar gesundheitliche Folgen durch den Vogelkot und hat sich bereits beim Kreisveterinäramt erkundigt.

Etwas anders sieht das Ina Krautkrämer, auf deren Grundstück sich die etwa 100 Quadratmeter große Bambusanpflanzung befindet, in der die Stare in den Nachtstunden Schutz vor ihren natürlichen Feinden finden: "Die Stare kommen seit fünf, sechs Jahren zu uns. Viele Nachbarn und wir erfreuen uns an dem täglichen Naturschauspiel. Kinder stehen bei einsetzender Dämmerung an der Straße und rufen: ,Da kommen unsere Stare.’"

Einen Streit wollen Ina Krautkrämer und ihr Mann ebenso wenig wie die Nachbarn, die durch den Vogelkot beeinträchtigt werden. Eine Lösung scheint indes nicht in Sicht. "Wir haben hier eine gute Nachbarschaft", sagen die Betroffenen gleichermaßen. Versuche von Günther Wierutsch, die Vögel durch in die Bambuspflanzen gehängte Säcke mit glitzernden CD’s zu vertreiben, waren bisher nicht von Erfolg gekrönt. Laut Ina Krautkrämer verbiete es sich auch, die Bambusfläche mit einem Netz abzudecken, weil sich die geschützten Singvögel darin verfangen könnten.

Ina und Karl-Heinz Krautkrämer wären nach eigenen Angaben sogar bereit, den Bambus entfernen zu lassen. "Wir haben im letzten Herbst noch 7500 Euro investiert, um die Fläche mit Beton von der Straße abzugrenzen und mit einer Rhizomsperre zu versehen. Die Kosten dafür und für die Rodung der Bambusfläche müssten aber die Nachbarn übernehmen", sagt Ina Krautkrämer und verweist darauf, dass sie und ihr Mann den Vögeln gern weiterhin ein Nachtquartier bieten würden: "Wir haben sogar angeboten, uns an den Reinigungskosten für die Photovoltaikanlage zu beteiligen." Laut Günther Wierutsch wären da jedes Mal so um die 80 bis 100 Euro fällig.

Hiltraud Härte sagt, die immer größer werdende Zahl der Vögel sei das Problem und aus ihrer Sicht wäre es besser, die Stare würden sich einen anderen Schlafplatz suchen. Doch danach sieht es nicht aus. Selbst durch Sperberattrappen und Lärm lassen sich die Vögel nicht von ihrem Quartier fernhalten.

Verdrängungsmaßnahmen findet der Haller Vogelkundler Andreas Bader grundsätzlich fragwürdig: "Das ist wie beim Maulwurf, der auch geschützt ist und bei Staren nur mit entsprechender Sondergenehmigung wie zum Beispiel in Weinanbaugebieten möglich. Stare sind geschützt und stehen in NRW auf der Vorwarnliste für bedrohte Tiere. Die Bestände sind rückläufig." Für die Lösung des Problems hat der Vogelkundler auch keine Patentrezept: "Wenn man sie vergrämt, was zumindest sehr bedenklich wäre, würden sie sich einen anderen Schlafplatz suchen. Aus Sicht des Vogelschutzes und des Naturschutzes würde es mich aber freuen, wenn der Schlafplatz erhalten bliebe."

Ab April könnte sich die Kontroverse an der Haferstraße entspannen, wenn die Stare sich verteilen und ihrem Brutgeschäft nachgehen. Wenn der erste Nachwuchs im Herbst flügge ist, dürfte die Kolonie allerdings noch einmal deutlich anwachsen und damit auch die Problematik im Haller Ortsteil erneut offen zu Tage treten.

Man darf also gespannt sein, wie es mit den Staren und ihrem besonderen Schlafplatz in Bokel weitergehen wird.


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