Borgholzhausen (anke).
Die Bielefelder Organisation »Move and resist« versteht sich als Aktionsplenum gegen Ausgrenzung und schreibt sich auf die Fahne, die Situation von Flüchtlingen und Asylbewerbern verbessern zu wollen. Im Internet hatte die Organisation jetzt zu einer Protestaktion in Borgholzhausen aufgerufen. Die Unterkünfte sollen angeblich feucht und schimmelig sein, das Sozialamt höre die Flüchtlinge aber nicht an, sondern setze auf Kontrolle und Einschüchterung, schrieb die Organisation. Schwere Vorwürfe, die die Stadt so nicht stehenlassen wollte.Vier Mitglieder der Organisation reisten am Montagmorgen in Borgholzhausen an. Einige Flüchtlinge waren ohnehin vor Ort, da sie immer montags ihr Geld aus dem Rathaus abholen. Auf die Frage der Presse, was den Einsatz der Organisation in Pium notwendig gemacht habe, antwortete die Sprecherin Lydia Stabel, dass sich einige Flüchtlinge über die Wohnsituation in Borgholzhausen beschwert hätten.
Auf gezielte Nachfrage gab sie an, dass es nur ein Flüchtling war, der sich an sie gewandt hatte. Das Gespräch mit der Stadt habe man nicht gesucht, so die Sprecherin weiter. Über die geplante Aktion informiert habe man sie ebenfalls nicht. Und die Unterkünfte begutachtet, die laut Protestaufruf "seit langem renovierungsbedürftig" sind? "Nein, die haben wir uns noch nicht angeschaut", gab sie zu.
Bürgermeister Klemens Keller und Fachbereichsleiter Eckhard Strob luden die Mitglieder der Organisation und auch die anwesenden Flüchtlinge in den Sitzungssaal ein. Keller sagte, dass die Stadt jederzeit zu Gesprächen bereit sei, sich aber keine Unwahrheiten unterstellen lasse. So stimme es nicht, dass wie behauptet, sieben Personen in einem kleinen Zimmer leben müssten.
Die Flüchtlinge lebten vielmehr in Gruppen in Wohneinheiten, die aus jeweils zwei Zimmern, einer Sanitär- und einer Kücheneinheit bestünden. Dass es hier und da mal zu Schimmelbildung komme, das sei schon vorgekommen, sagte Eckhard Strob. "Wir sind aber darauf angewiesen, dass uns das mitgeteilt wird", so Strob. In Kenntnis der Mängel würde man sie auch schnellstens beheben. Allerdings führe das Verhalten der Bewohner des Flüchtlingsheims, die nicht lüften und ihre Wäsche auf den Heizkörpern trocknen, immer wieder zu Problemen mit Schimmel.
Ein weiterer Kritikpunkt der Organisation war, dass den Flüchtlingen das Geld wöchentlich ausgezahlt werde. "Das machen wir seit Jahren so, damit wir in Kontakt mit den Menschen bleiben", sagte Keller. "Es interessiert uns, welche Menschen hier bei uns leben und was für Sorgen sie haben", fügte der Bürgermeister hinzu. Die Zahlungsweise sei aber nicht in Stein gemeißelt und könne geändert werden, wenn der Wunsch bestehe. Eine Abstimmung im Rathaussaal ergab schließlich, dass die meisten der 20 anwesenden Flüchtlinge für eine monatliche Zahlungsweise waren. "Dann werden wir unsere bisherige Praxis auch nicht aufrecht halten", sagte Strob.
Klemens Keller betonte, dass er sehr überrascht über die Aktion gewesen sei, weil bisher keiner der Vorwürfe aus dem Protestschreiben an ihn oder die Mitarbeiter des Sozialamtes herangetragen worden sei. "Wenn Sie Probleme haben, sprechen Sie mit uns", sagte er. Man würde alles Menschenmögliche tun, um den Bedürfnissen der Asylbewerber gerecht zu werden.
Daraufhin meldete sich Hans-Werner Elbracht, Kreistagsabgeordneter der Linken und Mitglied der Organisation »Move and resist«, zu Wort und sagte, dass es untragbar sei, dass sich die, die "auf dem Geld sitzen" als Ansprechpartner anbieten würden. "Es ist arm, dass Borgholzhausen nicht in der Lage ist, einen Betreuer für die Flüchtlinge einzustellen, so wie das in Steinhagen der Fall ist", sagte er. Keller hielt ihm entgegen, dass Borgholzhausen nur 8 700 Einwohner statt 21 000 hätte, also eine sehr kleine Stadt sei. Es gebe hier aber neben den Mitarbeitern der Verwaltung ganz viele weitere Menschen, die sich ehrenamtlich für die Flüchtlinge engagieren.
Ina Hirch vom Familienzentrum berichtete von den Angeboten, die allein das Familienzentrum mit seinen ehrenamtlichen Mitarbeitern für die Flüchtlinge mache. Angefangen von Fahrdiensten bis hin zu Sprachunterricht in Kitas und Schulen und wöchentliche Sprachtreffs für Erwachsene. Sie betonte, dass ganz viele Menschen sich unbezahlt und mit viel Herzblut um die Flüchtlinge kümmern würden. "Ich erlebe die Stadt Borgholzhausen, aber eben auch die Menschen in Borgholzhausen, den Flüchtlingen gegenüber als sehr kooperativ und engagiert", sagte Ina Hirch.
In der anschließenden Diskussion mit den Flüchtlingen sagte einer der Asylbewerber, dass es schwer auszuhalten sei, nicht arbeiten zu können und den Tag nur mit Schlafen und Essen verbringen zu müssen. Seine Äußerung, dass so ein Leben nicht menschenwürdig sei, übersetzte Lydia Stabel mit großer schöpferischer Freiheit unglücklicherweise in "Wir leben hier wie die Tiere", was bei Klemens Keller aufgrund der fehlenden Sachlichkeit auf Unmut stieß. Dag Brüggeshemke, Mitarbeiter des Sozialamtes, bestätigte, dass viele Asylbewerber über Jahre in Übergangsheimen "festhängen", bevor endlich eine Entscheidung über Gehen oder Bleiben getroffen werde. "Das sind aber Dinge, an denen wir als Stadt nichts ändern können", so Dag Brüggeshemke.