Von Reiner Schmidt
Steinhagen.
Zu den klassischen Liebesgeschichten des 19. Jahrhunderts gehört die Beziehung zwischen Clara (geborene Wieck) und Robert Schumann. Literatur und Film haben sich des Themas dankbar angenommen. Wie war das nun mit dieser Ehe? Warum der Selbstmordversuch von Robert? Warum besuchte Clara ihren Robert nicht während seiner zwei Jahre in der Nervenheilanstalt? War da eine Affäre mit Johannes Brahms?Die Frankfurter Regisseurin Birgitta Linde versetzt Sabine Fischmann und Thorsten Larbig als Clara und Robert Schumann mit einer Zeitreise in die Welt einer heutigen Therapiepraxis. Tauchen da eventuell neue Erkenntnisse auf? Amüsante Momente der Reibung sind programmiert. Clara und - weniger - Robert nutzen die blumige Sprache der Romantik, entnommen aus Briefen und Tagebüchern. Dazu im Widerspruch steht die lakonische Sachlichkeit der von Birgitta Linde selbst verkörperten Therapeutin mit den Auffassungen des 21. Jahrhunderts.
Die Motive der Schumanns sind keineswegs vorgestrig. Robert beansprucht für sich im traditionellen Rollenverständnis einen freien Rücken für seine kompositorische Arbeit und fühlt sich zum Beispiel durch Claras Klavierübungen gestört. Tipp der Therapeutin: stelle das Klavier stumm und lausche über Kopfhörer.
Die Sache ist scheußlich verfahren. Clara liebt ihren Robert noch immer, doch möchte sie über die Rolle als Mutter und Assistentin hinaus ihre Karriere als Pianistin fortsetzen und zum Broterwerb beitragen. Empfehlung der Therapeutin, sich beim Thema »Emanzipation« an Alice Schwarzer zu orientieren. Immerhin ist Clara eine bewunderte Künstlerin, die in ganz Europa bereits triumphale Erfolge sammelte - auch in der Verbreitung von Roberts Klavierwerken.
Als Ehemann war dieser sicherlich nicht despotisch, doch die Zeit, in der er lebte, kannte klare Verhältnisse, was die Beziehung von Ehepartnern anbetraf. Auch auf Claras Interpretationen und Kompositionen versuchte er, Einfluss zu nehmen. Ihm erschien die sich auf Virtuosität und Bravour beschränkende Art der romantischen Kompositionen zu unernst. Schumann schweigt unberechtigt und zieht sich in sich zurück. Pause.
Zweite Therapiestunde. Der junge Johannes Brahms ist auf der Bildfläche erschienen - allerdings nur in Text und Musik. Beider Schumanns Liebe zu ihm scheint auch ihr Miteinander zu beflügeln. Doch das Glück in der Ménage à trois (Dreiecksverhältnis) ist nur von kurzem Bestand. Eifersucht frisst an Schumann. Er zieht sich weiter in sich zurück und endet in der Nervenheilanstalt.
Eine bekannte Geschichte zwar, doch sie wird recht amüsant erzählt, passend verquickt mit großartigen Interpretationen vor allem Schumannscher und Brahmsscher Klavierstücke durch Sabine Fischmann und Thorsten Larbig. Sie spielen einzeln aber auch im Doppel. Ein fröhlicher Höhepunkt: Schumanns »Springbrunnen« vierhändig. Störend war, dass Klavierspiel und Sprache häufig parallel liefen. So konnte man beides nur beschränkt genießen. Trotz der Verstärkung über Lautsprecher waren längere Textpassagen schwer zu verstehen.
Birgitta Linde kämpfte tapfer gegen eine Erkältung und war so nur Stichwortgeberin in den beiden »Therapiestunden«. So blieb ein zwiespältiger Eindruck: Kenner der Biografien der Schumanns erfuhren nichts Neues, unbefangene Zuschauer erhielten ein unbefriedigendes Bild von diesem Paar: Clara, die frustrierte, an den Herd gebundene Hausfrau, und Robert ein frustrierter Grantler - dem nur noch der Weg in den Rhein blieb.
Doch kann ein solcher Abend immerhin dazu führen, dass man sich im Nachgang mit beider Biografien beschäftigt und vor allem mit der grandiosen Musik - die Robert und auch Clara hinterlassen haben. Diese Musik versöhnte mit mancher Schwäche der Dialoge, so dass das Publikum dankbar applaudierte.