VON CLAUDIA VIOTTO
Halle. "Wie schön leuchtet der Morgenstern! O, welch ein Glanz geht auf vom Herrn, uns Licht und Trost zu geben." Diese Verse sang der Bach-Chor Halle unter Leitung von Kirchenmusikdirektor (KMD)
Martin Rieker in einem Chorsatz aus dem Oratorium-Fragment »Christus« von Felix Mendelssohn-Bartholdy. Damit leuchtete im Chorkonzert I in der St. Johanniskirche erneut das Thema der 52.Haller Bach-Tage auf. Als Höhepunkt des Abends führten unter Riekers Leitung fünf Gesangssolisten, der Bach-Chor und das Sinfonieorchester des Ensembles Aperto Franz Schuberts große Es-Dur-Messe auf. Zum Auftakt aber gab es Fanny Hensels »Oratorium nach Bildern der Bibel«.
Mit leisen, fein sich verwebenden Stimmen der Streichmusiker beginnt das 15-teilige Oratorium, das Fanny Hensel auf 40 Textstellen des Alten und des Neuen Testaments komponierte. Allmählich steigert sich diese ausdrucksstarke, teils archaisch anmutende romantische Musik. Paukenschläge markieren einen neuen Abschnitt, worauf man bald die Erste der fünf national renommierten und vielfach ausgezeichneten Gesangssolisten hört: Marion Eckstein, die mit voller, klarer Altstimme das erste Rezitativ singt.
Es ermahnt, woran Jens Hamann (Bass) und Gudrun Sidonie Otto (Sopran) anknüpfen: Im Duo vermitteln sie die Drohung des strengen, strafenden Gottes des Alten Testaments. Über Hamanns fundamentaler sonorer Stimme blüht die helle, strahlende der Sopranistin auf. Sie übernimmt tröstende Funktion. Das Oratorium schildert den Wandel des züchtigenden Gottes zum Erretter und Heilsbringer des Evangeliums.
Zur Bitte um Erbarmen heben nun die rund 80 Chorsängerinnen und -sänger mit schöner Melodie an. Unter ihrem Leiter Martin Rieker erzeugen sie einen voluminösen, ausgewogenen Klang. Die Frauen erreichen mit Leichtigkeit hohe Lagen. Die Tenöre und Bässe, obwohl deutlich in der Unterzahl, setzen sich in dem bis zu achtstimmigen Gesang gut durch. Tenor Johannes Weiss beeindruckt durch seine dramatisch bewegte Arie über die Hilflosigkeit des Menschen. Wie er wiederholt "ich leide deine Schrecken, dass ich schier verzage", singt, geht unter die Haut. Packend ertönt vom Chor der »Trauerchor« und wirkungsvoll kontrastiert er ihn mit dem »Chor der Seligen«, in dem alle Stimmen leuchtend harmonieren.
Die Chorsänger haben diese anspruchsvolle Chorliteratur spürbar verinnerlicht. Und das gilt auch für die anderen beiden Werke. Dynamisch sensibel differenziert und mit gefühlvollem Ausdruck beginnt der Chor das Kyrie aus der Es-Dur-Messe Schuberts, seiner letzten Messe von 1828, seinem Todesjahr. Nun sorgen alle Mitwirkenden damit für ein mitreißendes Klangerlebnis. Auf ein prunkvolles Gloria, in dem der Chor aber auch kunstvoll leise Stellen gestaltet, etwa die Männerstimmen im »Qui tollis«, folgt ein von Ernst durchzogenes Credo, in dem wieder die Solisten vokale Glanzleistungen vollbringen. Im Trio von Otto, Max Ciolek (Tenor) und Weiss sorgt insbesondere die Sopranistin für Gänsehautmomente.
Mitreißend und mit zunehmender Lautstärke steigern sich Chor und Streicher am Beginn des Sanctus zu maximaler Lautstärke und lässt der Chor den lateinischen Text offenbar mit erlebter Freude erschallen. Die Klangschönheit der Komposition wirkt hier geradezu umwerfend. Hell und zuversichtlich endet die Messe im Agnus Dei. Instrumental von Trompeten und Posaunen akzentuiert, schließen das Solistenquartett und der Chor mit »Dona nobis pacem«. Das Publikum in der voll besetzten Kirche wirkt begeistert, spendet kräftigen, lang anhaltenden Applaus.