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Politische Bühne statt Hofidylle

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Auch wenn sie die Hofidylle liebt, bange macht sie sich nicht vor der Hauptstadt. Sie hat dort Praktika gemacht, mag die Metropole. Und Sitzungszeit sei ja nur etwa die Hälfte des Jahres. „Mit dem Zug ist man schnell wieder in Bielefeld”, sagt sie gelassen. Mittlerweile wohnt sie in einer eigenen kleinen Wohnung im Bielefelder Westen. Doch oft und gern gehts zu den Eltern, nicht nur, weil es da immer etwas Schönes zu essen gibt. Auf dem Bioland-Hof fühlt sie sich wohl, kann entspannen, sich an Pflanzen und Tieren erfreuen. Mit denen ist sie aufgewachsen. Katzen und Hunde mag sie beide, auf Berta, dem großen Schwein, durften sie als Kinder reiten und die Kaninchen „haben wir verheiratet”, erinnert sich Kampmann: „Vielleicht wurde da ja ein Grundstein als Standesbeamtin gelegt.” Eine Arbeit, die ihr Freude machte, die sie aber 2011 nach zwei Jahren für ihre Dissertation aufgab. Gegessen wurden die Kaninchen auf Kampmanns Hof nicht. „Aber wir haben früh gelernt, dass Tiere geschlachtet und gegessen werden.” Das „Bio-Kind”, wie sie sich selbst nennt, hat aber auch früh mitbekommen, wie lecker das Gemüse und Obst aus dem eigenen Garten schmeckt. Fleisch esse sie nur ganz selten - und dann vom elterlichen Hof. „Ich sehe das schon ethisch, etwa aus Gründen des Klimaschutzes, aber halte nichts von Moralisieren.” Ihr Lieblingsgericht seien die ersten frischen Kartoffeln aus dem Garten mit Kräuterquark und Salat. Darauf können sich auch ihre Freunde freuen. Denn »Jeans- Typ« Kampmann kocht gern, möglichst bei guter Musik, und liebt es, das mit befreundeten Gästen zu tun - gern auch vor dem Tatort-Krimi am Sonntagabend. Sie scheut auch exotische Gewürze nicht - Falafel gibt es bei ihr ebenso wie Johannisbeer-Tiramisu, für das sie das Rezept aus Wien mitbrachte, wo sie ein Jahr lebte und 2009 ihren Master in Europäischen Studien machte. Dort trafen sich die Studenten aus vielen Nationen zum Kochen, Essen und Plaudern - „bei kroatischer Vorspeise, polnischem Hauptgang und österreichischem Nachtisch”. Die Kontakte pflegt sich noch heute. So heimelig und spielerisch es auf dem Hof direkt an der Lutter auch war, wo die Kinder im Sommer in den Teichen schwimmen und im Winter da-rauf Schlittschuh laufen konnten, schließlich zog es Christina Kampmann doch in die Stadt. Nach dem Abitur begann sie das duale Studium bei der Stadt Bielefeld und schloss es 2004 ab. Erste Station anschließend war das Sozialamt - eine Arbeit, die sie entscheidend mit prägte. Denn hier lernte sie, die „es immer so gut hatte”, kennen, wie schlecht es Menschen gehen kann und wie ungleich Chancen verteilt sind. „Die Ungerechtigkeit hat mich zum Nachdenken gebracht. Ich habe gemerkt, da läuft was schief - und ich möchte etwas dagegen tun.” So reifte in ihr der Entschluss, sich politisch zu engagieren - obwohl sie bis dahin dorthin keine Kontakte hatte. Und weil ihr soziale Gerechtigkeit so wichtig ist, kam für sie nur die SPD in Frage: „Die steht dafür wie keine andere Partei.” So bewarb sie sich mit 26 Jahren bei den Jusos. Und machte bald eine schnelle politische Karriere. 2007 trat sie in die SPD ein, war zunächst in Schildesche aktiv, übernahm 2011 den Vorsitz im Ortsverein Ummeln, 2012 im Stadtverband Brackwede und gehört seit drei Jahren dem Unterbezirksvorstand der SPD an. Parallel studierte sie Politikwissenschaften an der Fernuniversität Hagen zum Bachelor, schrieb die Masterarbeit in Wien über das aktuelle Thema Vorratsdatenspeicherung und seit 2012 ist sie von der Stadt freigestellt, damit sie ihre Dissertation schreiben kann. Und im Herbst 2012 schob sie Parteichef Marcus Lufen ganz überraschend als Kandidatin für den Bundestag auf die vorderste politische Bühne in
Bielefeld.
Und sie setzte sich ebenso unerwartet gegen etablierte Konkurrenten durch. Der Frauen-Bonus half ihr und soll ihr auch auf dem Weg nach Berlin helfen. Sie zeigt sich zuversichtlich, dass sie ihr Ziel erreicht, auch wenn Spitzenkandidat Peer Steinbrück anfangs Fehler gemacht habe. Doch das Negativimage habe sie in den vielen Gesprächen im Wahlkampf bisher nicht wahrgenommen. Klar sei ihr aber, dass man sehr viel erklären müsse. Viele hätten die Wahl noch gar nicht auf dem Schirm. Dass sie gut mit Menschen könne, wie ihr Parteichef lobt, wird jetzt wichtig. Und sie setzt auf Dialog, sagt sie, versuche, Bedenken ernst zu nehmen. Man müsse gründlich diskutieren, nicht einfach schnell entscheiden. Ob sie das dicke Fell habe, sich in Berlin durchzusetzen, glaubt Kampmann schon: „Das braucht man, aber man muss sensibel bleiben, darf nicht abstumpfen.” Und das traut sie sich zu. Zumal der Rückzug in die Hof-Idylle stets offen steht. Trude wartet schon. Ebenso ihr Pferd Ari, eine Reitbeteiligung, auf dem sie einmal die Woche ihre Runden dreht. Mit Fabienne, die mittlerweile ihr Gnadenbrot frisst, war sie als Jugendliche sogar erfolgreiche Dressurreiterin: „Ein schönes Hobby zum Ausgleich.”

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