„Ich hatte mir die »Deaflympics« wirklich anders vorgestellt”, gibt Knut Weltlich zu. Er war in Bulgarien gleich in doppelter Hinsicht in Einsatz, als Botschafter des Deutschen Behindertensportverbandes sowie als Berichterstatter für die Bertelsmann-Kanäle handicap-tv und n-tv. Daher brachte er lange Tage mit den Athleten in den Stadien zu. Und das wäre ebenso schön wie anstrengend gewesen, erzählt er.
„Weil alles anders war, als man sich eine Olympiade vorstellt.” Bei den Paralympics in Peking, in London oder in Vancouver sei es laut gewesen, überall Musik, rufende Menschen, Jubel, Applaus, Nationalhymnen und Stadien, in denen man kaum sein eigenes Wort verstehen konnte. Anders in Sofia: Bei den Gehörlosen wurde gewunken, wurden Fahnen geschwenkt, wurde mit Gebärden Anerkennung ausgedrückt - „Aber es war leise. Einfach zwei Wochen lang leise. So etwas habe ich noch nie erlebt”, so Weltlich. Ob beim Frühstückstisch im riesigen Saal des Hotels oder in den Sportstätten, „für jemanden wie mich, der hören kann, fehlte es irgendwie an Atmosphäre”.
Schlimmer hätte gemacht, dass er sich nicht direkt mit den Athleten unterhalten konnte. „Ich kann keine Gebärdensprache, brauchte also immer jemanden, der für mich übersetzt”, sagt er. Problematisch sei gewesen, dass auch nahezu alle Funktionäre gehörlos waren. „Eigentlich natürlich eine gute Sache, aber schwierig, wenn man organisatorische Dinge regeln muss.”
Insgesamt, hat Knut Weltlich festgestellt, wären die »Deaflympics« so etwas wie eine riesige Familienfeier gewesen. Die 4000 Sportler hätten sich super verstanden, „es war ein schönes Miteinander”.
Allerdings eines mit großen Organisationslücken. „Die Bulgaren waren mit dieser Veranstaltung restlos überfordert”, sagt Weltlich. Die Stadien wären alt gewesen, „die Träger der Schwimmhalle an manchen Stellen so verrostet, dass ich Angst hatte, die Konstruktion bricht zusammen.”
Dann die Radrennen: Sie fanden - egal ob Zeitfahren, Straßenrennen oder Kurzstrecken - auf einer einseitig gesperrten Autobahn statt. „Die Sperrung war von 9 bis 14 Uhr beantragt worden. Als die Rennen um kurz vor 14 Uhr noch nicht zu Ende waren, haben die Organisatoren aus dem 1000-Meter-Wettbewerb kurzerhand einen 500-Meter-Wettbewerb gemacht. Und niemand hat sich beschwert, es war eben, wie es war”, kann es Knut Weltlich noch immer nicht fassen. Vielleicht auch darum, gibt er zu, weil er den Vergleich mit anderen Spitzensportveranstaltungen im Hinterkopf hat, bei denen alles bis ins letzte Detail durchorganisiert war. „Ich weiß, dass so etwas nicht fair ist. Und muss auch sagen, dass ich das Gefühl hatte, dass den Sportlern die Veranstaltung gut gefallen hat.”
Warum es an der Organisation so haperte, hat Knut Weltlich schnell herausgefunden: Eigentlich hätte Griechenland die »Deaflympics« ausrichten sollen. Doch aufgrund der Finanzkrise musste es die Veranstaltung abgeben. Bulgarien sprang kurzfristig ein, „im Grunde ja sehr gut”, findet Weltlich. Doch mit kaum einem Jahr Vorbereitungszeit wäre vieles auf der Strecke geblieben.
So hätten die Spiele nahezu unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattgefunden. Die Ränge in den Stadien blieben leer, „außer ein paar Plakaten habe ich keinerlei Werbung gesehen, weder in Sofia, im Fernsehen oder an anderer Stelle”, bedauert Weltlich.
Dabei wären die Leistungen der Athleten allesamt hervorragend gewesen, egal ob beim Schwimmen, beim Tischtennis oder in der Leichtathletik. Doch auch hier konnte Weltlich nicht umhin, genauer hinzusehen. Was er sah - oder vielmehr: nicht sah - waren Dopingkontrollen. „Bei den Paralympics wurden regelmäßig Sportler zur Dopingkontrolle gebeten. Hier überhaupt nicht. Wenn doch, ist das völlig an mir vorbeigegangen.” Was blieb war ein fader Beigeschmack, da lediglich zwei Länder - Russland und die Ukraine - das Gros der Medaillen abgeräumt haben.
Jetzt ist Knut Weltlich erst einmal froh, wieder zu Hause zu sein. Im Gepäck viele Erfahrungen, vor welchen Problemen Gehörlose stehen und wo man unbedingt nachbessern muss, um den täglichen Alltag für sie zu erleichtern. „Und da, bin ich mir sicher, gibt es auch in Werther noch Nachholbedarf.”
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