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"Für uns eine Katastrophe"

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Von Anja Hanneforth

Werther/

Borgholzhausen.
Das Land NRW muss sparen. Was nach einer dieser Aussagen klingt, die seit Jahren von der Politik gemacht werden, hat ab 2015 für die Böckstiegel-Gesamtschule bitterböse Konsequenzen. Denn die zweiwöchige Berufswahlorientierung für die 210 Achtklässler der Standorte Werther und Borgholzhausen wird nach vier Jahren erfolgreicher Arbeit sang- und klanglos gestrichen. "Für uns eine absolute Katastrophe", sagt Dieter Wissmann. Der Koordinator für die Berufswahlvorbereitung fragt sich, wie die Jugendlichen eine Idee davon bekommen sollen, welchen Beruf sie einmal ergreifen möchten, wenn dieser wichtige Baustein fehlt.

In den vergangenen zwei Wochen war in den Werkstätten des Ravensberger Bildungshauses in Halle viel los. Alle 120 Achtklässler des Gesamtschul-Standorts Werther hatten Gelegenheit, ausgiebig in ihre Wunschberufe hineinzuschnuppern. Ob Anlagenmechaniker oder Kaufmann, Altenpfleger oder Elektriker, Friseur oder Garten- und Landschaftsbauer - aus insgesamt zehn Angeboten konnten sich die Jugendlichen vier aussuchen, die sie näher kennen lernen wollten. Und zwar ganz praktisch. Unter fachkundiger Anleitung stellten sie in der hauseigenen Küche ein Menü zusammen, mauerten den Rohbau einer Kirche und nahmen den Schweißbrenner zur Hand. Das war mehr als eine willkommene Abwechslung zum schulischen Alltag; die Jugendlichen lernten, Verantwortung zu übernehmen, sich mit eigenen Ideen einzubringen, im Team zu arbeiten. Die Erfolgserlebnisse ließen nicht lange auf sich warten, "es ist toll, wie motiviert und engagiert die Schüler bei der Sache sind", lautete das einhellige Lob von Küchenmeisterin Antje Haskenhoff-Häußer und Hoch- und Tiefbautechniker Horst Windhager.

Umso trauriger, dass dieses Projekt nun aus Kostengründen eingestampft wird. "Wir hatten das Glück, dass wir diese Gelder in den vergangenen vier Jahren erhalten haben", weiß die stellvertretende Schulleiterin Rosi Heinrich um den Sparzwang des Landes. Immerhin hätte das Projekt 600 Euro pro Schüler gekostet.

"Doch die Alternative, die das Land nun flächendeckend einführen möchte, ist keine", findet sie klare Worte. Die sähe nämlich vor, dass alle Achtklässler künftig dreimal je einen Tag in einen Betrieb hineinschauen können. "Das bringt überhaupt nichts", ist sich Rosi Heinrich mit ihren Kollegen und auch den Werkstattleitern einig. Abgesehen davon, dass sie bezweifelt, ob sich überhaupt genügend Betriebe finden, die bereit sind, für einen Tag einen Praktikanten aufzunehmen, kann sie sich kaum vorstellen, dass ein Tag ohne wirklich praktisches Arbeiten irgendetwas bringt.

"Für uns ein wirklich herber Verlust", sagt sie. Andere Fördertöpfe, die dieses gewaltige, auch finanzielle Loch stopfen könnten, gäbe es nicht. "Jetzt müssen wir versuchen, auf ehrenamtlicher Schiene, vielleicht auch mit Eltern, etwas hinzubekommen." Adäquat, da ist sie sich sicher, könne das aber wohl kaum sein.


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