Steinhagen-Brockhagen (ella).
"Kann mir jemand sagen, was an diesem Bauernhaus ungewöhnlich ist?", fragt Sigrid Flemming. Die Antwort kennt niemand, deshalb muss sie sie selbst geben: "Es hat ein besonders großes Fenster." Daran könne man erkennen, dass es ein Weberhaus gewesen sei. Der Besuch ist nur eine Station bei der Führung durch Brockhagen.Etwa 30 Besucher waren am Samstagnachmittag gekommen, um sich von Sigrid Flemming die Bräuche und Traditionen rund um den Herbst erklären zu lassen. Darunter auch Flüchtlinge aus dem Übergangswohnheim an der Patthorster Straße, die mit Soziallotsin Liane Schiermeyer teilnahmen.
Sigrid Flemming bietet schon seit sechs Jahren Herbstführungen, immer mit einem anderen Schwerpunkt. In diesem Jahr waren »Feste, Sitten und Bräuche im Herbst« das Thema. Die erste Station in Brockhagen war die Kirche. "Hier werden im Herbst das Erntedankfest, der Reformationstag und der Tauferinnerungsgottesdienst gefeiert", erläuterte Flemming und zeigte auf, inwiefern die Kirche die zentrale Institution sehr vieler Bräuche ist.
Eine weitere, besonders interessante Station in Brockhagen war das Weberhaus. "Vor 200 Jahren waren die Menschen hier sehr arm", sagte Flemming. "Denn es gab viele Geburten, aber immer nur ein Kind konnte den Familien-Bauernhof erben." Viele Menschen hätten damals in kleinen Kotten gelebt und im Sommer für Gutsherrn auf dem Feld gearbeitet.
"Im Herbst wurden diese Leute dann nicht mehr gebraucht und verdienten kaum genug Geld, um über den Winter zu kommen", so Flemming. "Deshalb haben die Menschen die dunkle Jahreszeit genutzt, um sich mit weben Geld dazu zu verdienen." In der Regel seien Flachs und Hanf angebaut worden, um daraus Segeltücher zu weben.
Bekannt in Brockhagen ist auch Sussieks Mühle, die früher dem Bauern Michaelis gehörte. "Der war ein ganz schöner Trunkenbold, er hat sogar den Hof vertrunken", wusste Flemming auch persönlichere Anekdoten zu berichten. Die Mühle sei unter dem Namen Michaelis-Mühle schriftlich erstmals 1556 aufgetaucht. "Das Besondere an ihr war damals, dass es zwei Mahlgänge gab", so die Stadtführerin. Technisch sei das Malwerk damit seiner Zeit durchaus voraus gewesen. Eine weitere Station war die Bibliothekszweigstelle in der Alten Dorfschule. Dort stellte Bibliotheksleiterin Regine Howorek den Besuchern die Räumlichkeiten vor.
Zum Abschluss kehrten die Teilnehmer im Kantorhaus ein, wo es selbst gebackenen Pickert gab.