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Viele Brücken braucht das Land

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Von Rolf Uhlemeier

Halle.
Als Vorboten des A 33-Lückenschlusses schießen sie in diesen Tagen im Haller Autobahnabschnitt 7.1 wie Pilze aus dem Boden. Brücken entstehen auf der grünen Wiese, überspannen vorhandene Straßen, landwirtschaftliche Wege und selbst kleinste Bäche. Nicht weniger als 36 Bauwerke müssen im letzten Abschnitt, der in zwei Teilbereiche gegliedert ist, errichtet werden. 15 sind es zwischen dem Schnatweg an der Grenze zu Steinhagen und der Theenhausener Straße, weitere 21 von der L 782 bis zur Bundesstraße 476 und damit zum Lückenschluss in
Borgholzhausen.
Lothar Krämer kennt die Pläne ganz genau.

Der Abteilungsleiter Bau der Regionalniederlassung Ostwestfalen-Lippe des Landesbetriebs Straßenbau Nordrhein-Westfalen hat dem Haller Kreisblatt erklärt, wie eine Brücke entsteht, was die besonderen Schwierigkeiten sind und wodurch sich die Bauwerke im Haller Abschnitt auszeichnen.

An das riesige Skelett eines prähistorischen Dinosauriers erinnert die Brettverschalung der gut 50 Meter langen Brücke für die K 30 in Künsebeck. Ein bisschen verloren steht es in der Landschaft, das Bauwerk für die Straße nach Brockhagen, unter der vielleicht schon 2019 der Autobahnverkehr fließen wird. Mitarbeiter des Marienfelder Unternehmens Fechtelkord & Eggersmann treffen letzte Vorbereitungen, um in der kommenden Woche die erste der beiden Stahlbetonkappen gießen zu können, die an die Fahrspur grenzen und später das Geländer tragen werden. Beim Blick auf die massive Verschalung könnte man annehmen, die Brücke befände sich in einem frühen Baustadium. Doch schon im November wird das Bauwerk für die K 30 voraussichtlich fertig sein.

"Brücken werden heute so gebaut, dass sie eine Lebensdauer von etwa 100 Jahren haben", sagt Lothar Krämer und blickt auf die glatte Betonoberfläche der Brücke, die mit Bitumen getränkter Pappe und einem speziellen Schutzgussasphalt vor Witterungseinflüssen abgeschirmt wird. "Darauf kommt dann die Verschleißschicht", sagt der Bauingenieur.

Bis dahin ist es allerdings ein weiter und nicht selten beschwerlicher Weg. Wenn Baurecht vorliegt, und das hat bekanntlichererweise beim A 33-Lückenschluss fast ein halbes Jahrhundert gedauert, muss zunächst einmal der Untergrund erkundet werden. In Künsebeck erwies er sich als wenig tragfähig. "Wir haben hier Nachschüttsande", sagt Lothar Krämer, zeigt auf die große Zeichnung, die er vor sich ausgebreitet hat und ergänzt: "Die sind in der Regel nicht in der Lage, große Lasten zu tragen." Entsprechend aufwendig musste für die K 30-Brücke gegründet werden. Bis in eine Tiefe von zehn Metern wurden sogenannte Ortbetonpfähle mit einem Durchmesser von 60 Zentimetern in den Boden gerammt: Nicht weniger als 30 für jedes der beiden Widerlager; 14 für die Mittelpfeiler. Das geht ins Geld und treibt die Kosten für den Brückenbau in die Höhe. 1,3 Millionen Euro sind für die Brücke an der Kreisheide veranschlagt worden - davon entfallen fast 300 000 Euro allein auf die Gründung.

Gestalterisch, so der Abteilungsleiter bei Straßen.NRW, ähneln sich alle Brücken des letzten Teilabschnittes der A 33 zwischen Bielefeld und

Borgholzhausen.
"Die Bauwerke sollen die 27 Kilometer darstellen", sagt Lothar Krämer und fügt lächelnd hinzu: "Wenn das Navi einmal ausfällt, kann man den Abschnitt an seinen gleichmäßigen Brücken erkennen."

Bis dahin werden allerdings noch ein paar Jahre vergehen. Lothar Krämer wendet sich wieder dem Bauwerk auf der grünen Wiese zu und erklärt die technischen Raffinessen aktueller Ingenieurskunst: "Die Brücken werden in Spannbetonbauweise ausgeführt. Dadurch wird die Bauhöhe des Brückenkörpers sehr gering gehalten." Hört sich kompliziert an, ist im Grunde aber recht simpel: Beton hält Druckbelastungen sehr gut stand, neigt aber zu Rissbildung bei Zugbelastungen und die treten auf, wenn sich die Brücke durchbiegt. Um diesen Kräften entgegenzuwirken, wird die Betonbrücke vorgespannt und das ist genial.

In den Brückenkörper werden hochfeste Stähle eingelassen, die mit besonders leistungsstarken Pressen unter großem Druck gespannt werden, wenn der Beton nach dem Gießen noch nicht ausgehärtet ist. "Dieses Verfahren haben unsere Altvordern entwickelt", sagt Lothar Krämer und erklärt: "Dadurch lassen sich filigrane Bauwerke mit deutlich größeren Stützweiten errichten."

Da Brücken enormen Druck- und Witterungsbelastungen ausgesetzt sind, werden sie nach ihrer Fertigstellung in festgelegten Abständen eingehenden Prüfungen unterzogen. Bei älteren Bauwerken aus den 70er und 80er Jahren sind da in letzter Zeit erhebliche Schäden zu Tage getreten und das hat laut Lothar Krämer einen einfachen Grund: "Damals ist man von ganz anderen Lasten ausgegangen. Da gab es noch keine 40-Tonner und man hat auch nicht das heutige Verkehrsaufkommen einkalkuliert. Nach aktuellen Berechnungen soll die Brücke für die K 30 ein Jahrhundert überdauern - man darf gespannt sein!


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