Von Uwe Pollmeier
Versmold-Bockhorst. Martin Ellerbeck erinnert sich noch genau an den Standortwechsel vor 75 Jahren. "Im Januar 1939 sind wir in das neue Schulgebäude umgezogen", sagt Ellerbeck. Heute ist der damalige Schüler 89 Jahre alt und Ehrenmitglied des Heimatvereins. Gemeinsam mit dessen Vorsitzenden Henning Rattenholl und dem langjährigen Leiter der Bockhorster Grundschule, Georg Vogel, stöbert er im Bockhorster Kotten in der alten Schulchronik aus dem Jahr 1957.
"Wir haben im Vorfeld die Bockhorster gebeten, uns Erinnerungsstücke aus ihrer Schulzeit zur Verfügung zu stellen", sagt Rattenholl. Auf seinem Laptop zeigt er die digitalisierten Klassenfotos, Ausflugserinnerungen und Schulfestaufnahmen. "Wir haben fast alle Fotos der Jahrgänge seit 1976, als Georg Vogel die Schulleiteraufgabe von Werner Lorenz übernommen hatte. Ausgerechnet mein eigener Jahrgang fehlt", sagt Rattenholl.
Die Bockhorster Schulgeschichte reicht jedoch viel weiter zurück als 75 Jahre. Den von den Mitgliedern des Heimatvereins durchstöberten Aufzeichnungen nach begann der Schulbetrieb 1724 unter der Leitung von Bernhard Wilhelm Sterre. Genau 70 Jahre später wurde die Schulzweigstelle in Siedinghausen eröffnet, ab 1914 wurde für 24 Jahre auch in Halstenbeck am heutigen Hölmerweg 18 unterrichtet.
"Damals war das ja noch eine Volksschule", erinnert sich Ellerbeck. Wie heute auch wurden die Kinder mit sechs Jahren eingeschult, blieben jedoch bis zu ihrem 14. Lebensjahr. Somit erlebte Ellerbeck auch die frühe Nazizeit als Schüler in Bockhorst. "Morgens wurden vor dem Eingang Fahnen gehisst, viele grüßten mit ’Heil Hitler’ und wir sangen das Jungvolklied ’Es zittern die morschen Knochen’", erinnert sich der 89-Jährige.
Dass das heutige Schulgebäude in diesem Jahr sein 75-jähriges Jubiläum feiert, war der Schulleitung zunächst gar nicht bekannt. "Ich habe dann mal gerechnet und es denen gesagt", verrät Ellerbeck. Schließlich müsse er es ja wissen, als Zeitzeuge des Umzugs.
Ihre Blütezeit erlebte die Schule wohl 1966, als 236 Schüler von sechs Lehrern unterrichtet wurden. Mit der Schulreform 1968, als aus der Volks- eine Grundschule wurde, ging die Zahl auf 134 zurück. Als Georg Vogel die Schulleitung übernahm, kämpfte die Schule bereits um ihr Überleben. Da die Schülerzahl unter 80 sank, bedurfte es des Einsatzes der Elternschaft und der Schulpflegschaftsvorsitzenden Annegret Harthe sowie der Verlagerung der Schulbezirksgrenzen in Richtung Bockhorster Landweg und Lange Straße.
Bei den Recherchen ist dem Heimatvereinstrio noch ein ganz besonderes Buch in die Hände gefallen. In der Schulchronik des Standorts Siedinghausen sind namentlich alle Schüler von 1873 bis zur Schließung 1966 erfasst. Viele Aufzeichnungen seien aber im Laufe der Jahre auch verschwunden, bedauert Ellerbeck, der als menschliche Chronik aber ohnehin unersetzlich ist.