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Die neuen Freunde fürchten um ihre Freiheit

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Von Anke Schneider

Borgholzhausen.
"Die Menschen in Lettland haben derzeit große Angst vor Putin", schildert Klemens Keller, wie die Weltpolitik einen freundschaftlichen Besuch überschatten kann. 34 Teilnehmer aus dem Kreis Gütersloh waren Ende August zu einer Delegationsreise in die Region Valmiera gestartet. Unter ihnen auch ein Trio aus Borgholzhausen, bestehend aus dem Bürgermeister, Stadträtin Regina Hartlage und ihrem Ehemann Andreas Hartlage. Das Trio besuchte unter anderem den lettischen Ort Naukšeni, mit dem Borgholzhausen eine Freundschaft aufbauen möchte. Seit Dienstag ist die Gruppe zurück - im Gepäck viele Eindrücke von den Menschen in Naukšeni und in Lettland.

Der Kreis Gütersloh pflegt schon seit 20 Jahren enge Beziehungen zum Kreis Valmiera, der 2009 im Rahmen einer Reform aufgelöst wurde. Um die Partnerschaft auch formal weiterhin aufrechterhalten zu können, schlossen sich die Gemeinden des ehemaligen Kreises Valmiera zu einem Partnerschaftsverein zusammen und besiegelten ihre Partnerschaft zum Kreis Gütersloh erneut. Borgholzhausen möchte nun eine Städtefreundschaft mit Naukšeni aufbauen, das nur 2100 Einwohner hat und etwa 42 Kilometer nördlich der Stadt Valmiera liegt. Am 9. Mai besuchten Bürgermeister Janis Zuments und Verwaltungschef Egils Tenters aus Naukšeni die Stadt Borgholzhausen und trugen sich in das goldene Buch ein.

Die Delegationsreise führte die Gruppe zunächst nach Riga, wo die Gäste aus dem Kreis Gütersloh die Oper Nabucco besuchten und die neue Nationalbibliothek, die drei Millionen Bücher vorhält. Danach ging es nach Valmiera, wo Vertreter der Stadt Halle ein ausgemustertes Feuerwehrauto an die Stadt übergaben. Am Montag reisten Klemens Keller und das Ehepaar Hartlage nach Naukšeni, wo wie in ganz Lettland Einschulungsfeiern stattfanden.

In zwei Schulen war das Trio dabei. Keller sprach im Rahmen der Feierlichkeiten ein Grußwort und übergab den Schulleiterinnen Geschenke aus

Borgholzhausen.
"Die Einschulung ist in Lettland ein großes Fest", berichtet das Stadtoberhaupt. Man ziehe die beste Kleidung an und bringe zu dem großen Tag die komplette Verwandtschaft mit. "Nur Schultüten gab es kein. Die kennen die Letten nicht", sagt der Bürgermeister.

Keller berichtet weiter, dass er in Erfahrung gebracht habe, dass die Kinder der Grundschulen schon in der ersten Klasse in Englisch unterrichtet werden. Ab Klasse drei kommt die zweite Fremdsprache dazu und sie können zwischen Russisch, Deutsch und Spanisch wählen.

Beeindruckt hat den Bürgermeister auch ein Besuch des sogenannten Baltischen Weges an der Grenze zu Estland, das direkt an Naukšeni angrenzt. Der Baltische Weg erinnert an eine 600 Kilometer langen Menschenkette durch das Baltikum, zu der sich am 23. August 1989 Millionen Esten, Letten und Litauer zusammenfanden.

50 Jahre nach dem Hitler-Stalin-Pakt, durch den Estland, Lettland und Litauen an die Sowjetunion fielen, fanden sich die Menschen zu dieser menschlichen Kette zusammen, um ihre Einigkeit in dem Drang nach Freiheit und Unabhängigkeit von der Sowjetunion zu demonstrieren. Die Menschenkette reichte seinerzeit von Vilnius in Litauen über Riga in Lettland bis nach Tallinn in Estland. Sie war die größte Menschenkette der Geschichte.

Keller erzählt, dass die Angst der Letten vor Putin sehr groß sei. Als Grenzland zu Russland befinden sich die Letten in unbehaglicher Nähe zum riesenhaften Nachbarn. Medienberichten zufolge soll Putin großes Interesse daran haben, die Zwergstaaten Lettland, Estland und Litauen zurückzugewinnen und auch im benachbarten Polen sind die Sorgen groß. Der Chef der rechtslastigen Liberaldemokratischen Partei in Moskau, Wladimir Schirinows-ki, soll kürzlich sogar empfohlen haben, diesen Ländern mit einem Atombombeneinsatz zu drohen, damit sie erkennen, wohin sie gehören. In den drei baltischen Staaten leben große russische Minderheiten.

Klemens Keller macht deutlich, dass die Energie in Zukunft dahin gerichtet sein müsse, die Menschen beider Gemeinden zueinanderzubringen. "Sonst macht eine Freundschaft zwischen uns keinen Sinn", sagt er. Zu diesem Zweck hat die Stadt Borgholzhausen eine CD erstellt, auf der sich die Lebkuchenstadt vorstellt.

Eine ebensolche CD gibt es auch aus Naukšeni. Die Datenträger der jeweils anderen Gemeinde sollen nun unters Volk gebracht werden, dazu unter anderem auch in den Schulen verteilt werden. Natürlich sind auch weitere Besuche geplant, womöglich noch in diesem Jahr.


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