Von Silke Derkum
Versmold.
Die letzten zwei Wochen haben Roman Bulatows Leben ganz schön durcheinandergewirbelt. Er hat sich auf einmal in Zeitungsartikeln, Radio- und Fernsehberichten wiedergefunden. Hat Unterstützung und Zuspruch von Institutionen, Politikern und Bürgern erfahren. Hat immer wieder neue Hoffnung geschöpft und begraben. Und steht nun genauso da wie am Anfang: Trotz Zulassung und Einser-Abitur kann der 21-Jährige sein Studium an der Fachhochschule Bielefeld nicht antreten. Der Kreis Gütersloh bleibt bei seiner Haltung und stellt dem Versmolder keine Ausweisdokumente aus. Und ohne Ausweis keine Ausbildung. Nun hofft Bulatow auf die Härtefallkommission des Innenministeriums."Es war eine sehr belastende Zeit", sagt Roman Bulatow. Und meint damit nicht nur die Enttäuschung, sein Traumstudium »Angewandte Mathematik« nicht antreten zu können. Vor allem das Angebot eines Paderborner Unternehmers, über dessen Firma er ein duales Studium hätte absolvieren können, hatte ihn aufgerichtet. "Er hatte über die Medien von meiner Geschichte erfahren; es wäre eine tolle Möglichkeit gewesen", sagt Roman Bulatow. Doch nach einem Telefonat mit der Ausländerbehörde ist seit Donnerstag klar, dass auch diese Möglichkeit ungenutzt bleiben muss.
"An der Sachlage hat sich nichts geändert", sagt Kreissprecher Jan Focken auf HK-Anfrage und betont, dass dem Abiturienten nicht das Studium, sondern die dafür notwendigen Ausweispapiere verweigert werden. Nach Meinung des Kreises arbeite Bulatow nicht daran mit, seine Identität aufzuklären. Die wird, wie berichtet, von der Behörde angezweifelt, weil er als Zehnjähriger mit seinen Eltern als Asylbewerber ins Land kam - ohne Pässe. Die Angaben der Familie über ihre Herkunft in Usbekistan ließen sich nicht verifizieren und so geht man in Gütersloh davon aus, dass die Eltern - und später auch Roman und seine jüngere Schwester Fatima - falsche Angaben machen. Nun lebt die Familie nach Ablehnung ihres Asylantrags seit elf Jahren mit einer Duldung in Deutschland.
Dass der 21-Jährige durch die Umstände nur die Aussicht hat, seine Zukunft auf Staatskosten und ohne Beschäftigung zu verbringen, war bei vielen Haller- Kreisblatt-Lesern auf Unverständnis gestoßen. Sie hatten sich in der Redaktion gemeldet, um ihre Empörung mitzuteilen oder Hilfe anzubieten. Auch hinter den Kulissen hatten die, die über entsprechende Kontakte verfügen, versucht, Bewegung in die Geschichte zu bringen - vergebens.
Roman Bulatow selbst hatte sich in Bielefeld an den Arbeitskreis Asyl gewandt. Dessen Mitarbeiter machte ihm wenig Hoffnung. "Er habe noch nie erlebt, dass ein Asylbewerber mit Duldungsstatus ein Studium aufnehmen konnte, wenn es von den Papieren der Ausländerbehörde abhing", berichtet Bulatow über die Erfahrung des AK Asyl.
"Das ist leider kein Einzelfall", sagt NRW-Integrationsstaatssekretär Thorsten Klute dem HK. "Die Frage ist, ob es auf Dauer so bleiben muss, dass Kinder, die bei der Einreise minderjährig waren, an der Identitätsklärung mitwirken müssen. Er halte es für sinnvoll, die Mitwirkungspflicht für die zweite Generation abzuschaffen und will dies auch beim Bund vortragen.
Bei den Integrationspolitikern dürfte solch ein Vorhaben offene Türen einrennen, denn bereits im März hatte die Integrationsministerkonferenz sich mit dem Thema beschäftigt.
Roman Bulatows Wunsch, sein Studium noch in diesem Monat zu beginnen, scheint sich indes nicht zu erfüllen. Er hat sich an die Härtefallkommission des NRW-Innenministeriums gewandt. Dort wird der Fall derzeit bearbeitet, wie eine Sprecherin dem HK bestätigte. Es könne allerdings einige Wochen dauern, denn auch die beteiligte Ausländerbehörde müsse dazu Stellung nehmen.
Die Wartezeit würde er gerne mit einem Praktikum oder einer Ausbildung überbrücken, wenn das ohne Ausweispapiere möglich ist. "Ich möchte auf jeden Fall nicht einfach tatenlos zu Hause rumsitzen", sagt der 21-Jährige und gewinnt der Situation noch etwas Positives ab: "Vielleicht konnte ich ja etwas damit bewirken, dass ich an die Öffentlichkeit gegangen bin", sagt er. "Es würde mich freuen, wenn sich durch meinen Fall auch für andere Betroffene etwas ändert."
Vor allem für seine Schwester würde er sich eine bessere Zukunft wünschen. Die 15-Jährige geht in die 10. Klasse der CJD-Realschule und hatte in ihrem letzten Zeugnis einen Notendurchschnitt von 1,2. "Sie möchte studieren und Lehrerin werden", sagt Bulatow. Nach jetzigem Stand wird auch ihr dieser Wunsch verwehrt bleiben.