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Große Leere im Zwergenland

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Von Uwe Pollmeier

Versmold-Peckeloh. Nicole Henkefend war schon als kleines Kind liebend gern im Kindergarten. "Als ich dann in die Schule musste, wollte ich am liebsten dort bleiben", erinnert sich die 42-Jährige. Zwar ging sie später zur Telekom, aber ihren Traum hat sie nie aus den Augen verloren. Vor neun Jahren machte sie sich dann als Tagesmutter selbstständig und eröffnete in Peckeloh das Zwergenland. Nun beendet sie das Betreuungsangebot und geht in ihren alten Job zurück, da die Nachfrage nach einem Platz bei einer Tagesmutter immer mehr nachgelassen hat.

"Bis Mai hatte ich keine einzige Anfrage von Eltern", sagt Henkefend. Sämtliche Betreuungsverträge liefen zum Sommer aus, da die Kinder in den Kindergarten kamen. Bis dahin hatte sie neun Kinder im Alter von wenigen Tagen bis zu drei Jahren in der Betreuung. Unterstützung im Zwergenland erhielt sie von der Kollegin Hesna Zengin, die nun als Tagesmutter in einer Familie weiterarbeitet. Kurz vor Ende des alten Kindergartenjahres drohte ihr somit ein Zwergenland ohne Einwohner und Einnahmen.

Henkefend zog die Notbremse und entschied sich schweren Herzens, ihren Kindheitstraum aufzugeben. Als Beamtin der Telekom hatte sie bis zu 15 Jahre lang und somit inklusive Elternzeit bis zur Volljährigkeit ihres jüngsten Kindes Anspruch auf Urlaub ohne Bezüge. "Ich hätte mich somit erst 2018 entscheiden müssen, ob ich meinen Beamtenstatus zugunsten der Kinderbetreuung endgültig aufgeben möchte", sagt Henkefend. Die mangelnde Perspektive zwang sie förmlich, wieder zurück in ihren alten Job zu gehen. Verglichen mit anderen Kolleginnen der Tagesmutterbranche, die ihre Tätigkeit aufgeben, fällt sie jedoch als Beamtin recht sanft.

Dabei hatte vor neun Jahren alles so verheißungsvoll angefangen. Henkefend absolvierte eine Ausbildung zur Tagesmutter und eröffnete im Sommer 2005 das Zwergenland an der Münsterstraße 144. In der zuletzt von ihrem Schwiegervater genutzten Einliegerwohnung richtete sie sich ein Spielparadies ein. Hinzu kommt ein großer Garten, in dem die Bobbycars samt Fahrer kreuz und quer über die Grasnarbe rollen konnten. Jahrelang hatte sie lange Wartelisten, aber als die Kitas großflächig mit der U 3-Betreuung starteten, ging es bergab.

Jeannette Paaschen, Leiterin der Kita Gartenstraße und der Vermittlungsstelle für Versmolder Tagesmütter, sieht in Nicole Henkefends Schicksal keinen Einzelfall. "Tendenziell ist es so, dass die Nachfrage nach Tagesmüttern zurückgeht", sagt Paaschen. Kürzlich habe sie sogar eine Anfrage einer Tagesmutter aus Gütersloh gehabt, die gerne ein Versmolder Kind betreut hätte. Der Vorteil der Tagespflege, die für die Eltern mit exakt denselben Kosten verbunden ist wie ein Platz in der Kita, ist, dass man jederzeit einsteigen kann. Im Laufe eines Kindergartenjahres in der Kita ist das kaum möglich. "Daher wird das Angebot gerne von Zugezogenen genutzt. Oft aber auch nur, bis ein Kindergartenplatz frei ist", sagt Paaschen.

Derzeit gebe es in Versmold noch 15 Tagesmütter. Wichtig sei, so Paaschen, dass Eltern die Tagesmütter nicht als Babysitterersatz sehen. "Es ist nicht möglich, dass man sein Kind mal eben für ein oder zwei Stunden abgibt", sagt die Kita-Leiterin. Für die Betreuung von Tagesmütterkindern gelte eine Mindestgrenze von 15 Stunden pro Woche, maximal dürfen von einer Tagesmutter fünf Kinder betreut werden.

Henkefend trauert ihrem Traumjob in diesen Tagen ein wenig nach, weiß aber auch, dass es rein wirtschaftlich gesehen die beste Lösung ist. Gehaltstechnisch steht sie zukünftig ohnehin besser da. "Als Tagesmutter wird man wirklich nicht reich", sagt sie. Die Eltern hätten zuletzt immer kürzere Betreuungszeiten gewählt, entsprechend geringer seien auch die Einnahmen gewesen. "Und für die Zeit, wenn die Kinder weg sind und ich mit Aufräumen und Saubermachen beschäftigt war, hat es ohnehin kein Geld gegeben", sagt Henkefend.


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