Halle. 4 754 Kilometer Luftlinie oder 5 846 Kilometer Straße trennen zwei 15-Jährige: Alicia in Künsebeck und Nogoye in Nianing, im westafrikanischen Küstenstaat Senegal. Alicias Mutter Astrid Lehmkuhl (45)
ist seit fünf Jahren Patin von Nogoye. Das Bindeglied ist Brigitte Schulte (63), seit einem Vierteljahrhundert Motor und Initiatorin eines privaten Patenkreises. "Man kann nicht alle Kinder Afrikas retten. Aber einem gezielt helfen zu können, macht sehr viel Freude", sagt Astrid Lehmkuhl. Zusammen mit Brigitte Schulte und mehr als 200 Gleichgesinnten im Ravensberger Land ist sie derzeit auf der Suche nach weiteren Paten für die Kinder von Nianing.25 Jahre ist es her, dass Brigitte Schulte zum ersten Mal in Afrika war. Der gewohnte Skiurlaub musste wegen einer Knieverletzung ausfallen, ihre Kinder Marc und Bettina wählten die afrikanische Westküste als Ziel aus. In der dortigen Clubanlage wurde es der gebürtigen Oberösterreicherin jedoch bald zu langweilig. Wenige Schritte außerhalb entdeckte sie eine Schule, in der die Kinder in Jutesäcke gekleidet herumliefen. Im Club sammelte sie T-Shirts, daheim begeisterte sie Verwandte, Nachbarn und den Kegelclub.
Dem ersten Afrika-Urlaub folgten seither 24. Immer aus eigener Tasche bezahlt, immer mit dem gleichen Ziel: die Kleinstadt Nianing, südlich der Hauptstadt Dakar an der Petit Cote - der kleinen Küste - direkt am Atlantik. Viel hat sich seither geändert: In den beiden von Brigitte Schulte und ihrem Patenkreis betreuten Privatschulen lernen heute 500 Kinder Lesen, Schreiben und Rechnen. 20 Euro im Monat reichen für das Schulgeld eines Kindes, für ein paar Euro mehr sind auch ein Mittagessen und weitere Lebensmittel für die Familie daheim möglich. Von sonstigen Spenden lässt Schulte Krankenstationen renovieren, auch einen Brunnen graben. Kauft Schulsachen und Kleidung, bezahlt dringend nötige Operationen. Wofür, für wen, wie lange und wie viel die Paten helfen, entscheiden Sie selbst. Das kann ein einmaliger Beitrag, eine Begleitung über ein oder zwei Jahre sein - oder auch eine Hilfe vom Beginn der Schule bis zum Beruf.
In den ersten Jahren hat die Bielefelderin noch Lehrgeld gezahlt - an korrupte Polizisten, vermeintliche Vertraute und nicht zuletzt Behörden. Heute kommt jeder Euro an. Dabei baut sie auf den Ingenieur Michael sowie auf Cheik Daffé, den alle nur Modo nennen. Der eine begleitet kranke Kinder in die Klinik, der andere kümmert sich um die Schulen. 25 Kartons mit Hilfsgütern kann sie jedes Jahr in einem Übersee-Container zupacken, weil so die Transportkosten bezahlbar sind.
"Was wir in 25 Jahren erreicht haben, ist einerseits ein Tropfen auf dem heißen Stein, andererseits aber auch enorm viel", resümiert die 63-Jährige: Viele hundert Kinder haben die Grundschule besuchen können, einige haben sogar das College absolviert, andere ein Handwerk erlernt. Einst halb verhungerte Babys sind heute kerngesunde junge Frauen, andere können wieder sehen, weil deutsche Paten die Operation bezahlt haben. Wieder andere haben ein Geschäft eröffnet, weil die Patin nicht nur die Fachschule finanziert, sondern auch eine Nähmaschine geschickt hat.
Das alles hat Christine Schulte ohne Verwaltung, ohne Verein, ohne bezahlte Werbung geschafft. Darauf stolz zu sein, hat sie weder Zeit noch Lust. Fast täglich treffen E-Mails und Briefe in ihrem kleinen Gartenbüro in Uerentrup ein. Französische Grüße an die Paten übersetzen Christine Quandt und ältere Schüler der Gertrud-Bauer-Schule kostenlos übers Wochenende. Kleine Probleme werden mit den örtlichen Vertrauten schnell gelöst. Wie viel Geld in 25 Jahren geflossen ist, das weiß sie nicht, könnte es aber nachschauen. Wie viel die Paten und sie dafür zurückbekommen haben, weiß sie wohl: "Einem kleinen Kind eine bessere Zukunft geben zu können, ist ein ungeheuer großes Glück", resümiert die 63-jährige Wahl-Westfälin, die im Senegal nur "Mama Afrika" gerufen wird.