von Ekkehard Hufendiek
Halle.
Bienen sehen die Welt anders. Viele Blüten, die dem Menschen rot erscheinen, sind für die Insekten schwarz, da sie das Rot nicht wahrnehmen können. Einzig das Bienenblau entspricht in etwa der menschlichen Blauwahrnehmung. Auch Sigmund Strecker sah die Welt anders. Auch er nahm Dinge wahr, die andere nicht sahen. Gestern, am 6. August, wäre der Maler 100 Jahre alt geworden. Am Dienstag feierte Streckers Sohn Bernhard auf der Neuen Museumsinsel in Halle mit seinem Zwillingsbruder Ivo und 100 Freunden und Bekannten in den dreistelligen Geburtstag seines 1969 verstorbenen Vaters hinein.Das Fest stand unter dem Motto der Naturerkenntnis: »Blau ist die Lieblingsfarbe der Bienen«. Dieses hatte Sigmund Strecker gelesen im Buch des belgischen Literaturnobelpreisträgers Maurice Maeterlinck »Das Leben der Bienen« aus dem Jahr 1911 - eines von Streckers Lieblingswerken. Vor diesem Hintergrund erklärt sich die Begleitmusik der Feier: Im Gartenkarree der Museumsinsel umrahmte ein aus mehreren Basslautsprechern ertönendes Bienensummen die Besucher. Zwischendurch musizierte Christian Beckers an der Gitarre und am Piano, begleitet von Willem Schulz am Cello. Ohne Noten improvisierten sie im ehemaligen Atelier Streckers. In den musikalischen Pausen las Bernhard Strecker kurze Passagen aus dem Bienenbuch vor. So war der Abend gestaltet wie ein Bild des 1969 verstorbenen Künstlers: Fragmente fügen sich zu einem stimmungsvollen Ganzen.
Und an den Tischen saßen die zahlreichen Gäste, lauschten, rochen und genossen den kulturellen Reichtum der Familie. Liebevoll hatten die Gastgeber jeden Tisch im Garten mit Gebäck ausgestattet. So kam ein Gast in der Unterhaltung mit seiner Begleiterin zu einem passenden Schluss: "Das ist ein nettes Paradies hier."
Doch es kamen auch viele alte Freunde und Bekannte der Streckers. Helga Vollert-Wessel etwa war extra aus Lüneburg angereist. Sie hatte den Expressionisten in den 50er Jahren als Jugendliche persönlich kennengelernt. So schilderte sie unter anderem eine Begegnung mit dem Künstler, bei der der Maler sie um ihre Einschätzung eines Stilllebens mit Quitten gebeten hatte: "Er hat gesagt: Riech mal! Und ich war verzaubert vom Duft", erzählte Vollert-Wessel. "Jedes Mal, wenn ich das Bild heute sehe, erinnere ich mich an den Duft von damals." Dazu verfasste sie ein dreizeiliges Haiku-Kurzgedicht, in dem sie das Bild beschreibt: Drei Quitten im Gelb, der Grund verströmt ihren Duft, das Bild wird Genuss. Diese Feier zu seinem 100. Geburtstag hätte Sigmund Strecker sicher gefallen.