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"Ich habe alles für den Sport getan"

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Borgholzhausen.
Borgholzhausen gilt als eine Hochburg der Leichtathletik - nicht nur regional, nicht nur international, sondern in der ganzen Welt. Wenn der LC Solbad Ravensberg zur »Nacht von Borgholzhausen« ruft, dann gibt sich die Läuferelite ein Stelldichein. Fast könnte man meinen, das sei irgendwie schon immer so gewesen. Der Motor hinter der Entwicklung, die die Leichtathletik und insbesondere der Laufsport in der Lebkuchenstadt genommen hat, trägt aber einen ganz menschlichen Namen und ein ebensolches Gesicht. Friedhelm Boschulte war es, der vor 44 Jahren mit der Gründung der Leichtathletikabteilung im damaligen Fußballverein TuS Solbad Ravensberg den Grundstein für den Aufstieg Borgholzhausens in den Läuferolymp legte. HK-Redakteurin Kerstin Spieker sprach mit ihm über die Anfänge und die Höhepunkte der Piumer Laufsportgeschichte. Herr Boschulte, aus welcher Situation heraus kam es damals zur Gründung der Leichtathletikabteilung? FRIEDHELM BOSCHULTE: In den 1968er-Jahren kam in Deutschland gerade die Volkslaufbewegung auf. Ich hatte bis dahin Fußball gespielt, fühlte mich in dem Sport aber nicht mehr so richtig zu Hause. Mit einem Kumpel besuchte ich mal einen Lauf und nahm teil. Danach war ich infiziert vom Laufvirus. Ich nahm immer öfter an Läufen teil, begann auch richtig dafür zu trainieren. Es fanden sich Gleichgesinnte und so baute sich die Sache nach und nach auf. 1970 waren wir dann so weit, dass wir das Gefühl hatten, eine organisatorische Heimat zu brauchen. Das wurde zunächst die Leichtathletikabteilung im TuS Solbad Ravensberg, die wir gründeten. Sie blieb es aber nicht. 1996 gründete sich der LC Solbad Ravensberg. Wie kam es dazu? BOSCHULTE: Als wir starteten 1970, waren wir acht bis zehn laufbegeisterte Gleichgesinnte. Heute hat der Verein etwa 750 Mitglieder. Insbesondere der Bau des Ravensberger Stadions trug zu einem ungeheuren Boom der Leichtathletik in Borgholzhausen bei. Da war es irgendwann folgerichtig, einen eigenen Verein zu gründen. Wir brauchten Geld, um unsere Ideen umzusetzen, fanden Sponsoren und benötigten irgendwann eine Infrastruktur, die eine Unterabteilung innerhalb eines sportlich breit angelegten Vereins so nicht bieten konnte. Deshalb machten wir uns selbstständig. An die Entwicklung des Laufsports in Borgholzhausen war dann ja auch Ihre persönliche berufliche Existenz eng gekoppelt. Wie gestaltete sich die? BOSCHULTE: Nun, je mehr wir als Leichtathleten selber zu Veranstaltern wurden, umso komplexer wurde die Arbeit im Verein. Und je mehr Sportler sich uns anschlossen, umso mehr Bürokratie hing an der ganzen Sache. Das ließ sich auf ehrenamtlicher Basis irgendwann einfach nicht mehr stemmen. Ich war ursprünglich als gelernter Rechtsanwalts- und Notargehilfe Bürovorsteher in einer Kanzlei. Im Laufe der Zeit wurde dann meine Leidenschaft für das Laufen immer mehr zum Beruf. Zunächst arbeitete ich noch in einem Sportshop, schließlich wurde ich hauptamtlicher Geschäftsführer unseres Vereins und führte außerdem die Geschäftsstelle des Haller Kreisblattes in
Borgholzhausen.
Das ließ sich ganz gut miteinander unter einen Hut bringen. Wie kam es dazu, dass der LC immer mehr auch zum Veranstalter von Laufevents wurde? BOSCHULTE: Es gab noch längst nicht so viele Läufe wie heute. Man konnte sich nicht einfach in bestehende Strukturen einhaken und mitziehen lassen, sondern jeder Verein war gefragt, etwas auf die Beine zu stellen, damit sich die Lauf-Landschaft für alle Sporttreibenden interessanter gestaltete. Am Anfang hatten wir ja noch kein Stadion, sondern standen buchstäblich auf der Straße mit unserem Sport. Also haben wir aus der Not eine Tugend gemacht und begannen, Straßenläufe zu organisieren. Daraus entstand dann auch die Idee für die Nacht von
Borgholzhausen.
War Ihnen klar, was aus dieser Idee werden könnte, welches Potenzial sie hatte? BOSCHULTE: Ich hatte von Anfang an die Vision, dass aus der Nacht etwas richtig Großes werden könnte. Klar, wir standen ganz am Anfang der Laufbewegung, aber jedes Jahr kamen mehr Teilnehmer und irgendwann kamen dann auch die Stars der Szene, vor allem die Afrikaner. Das waren tolle Begegnungen mit diesen absoluten Ausnahmesportlern. Gab es Momente, in denen Sie am liebsten alles hingeworfen hätten? BOSCHULTE: Es war bestimmt nicht immer leicht, die verschiedenen Charaktere, Zielsetzungen und Anforderungen unter einen Hut zu bringen, aber irgendwie habe ich mit meinen Mitstreitern immer viel Glück gehabt. Wir hatten immer das gemeinsame Ziel im Blick. Einer muss nun mal der Oberindianer sein und das war eben ich. Ich hatte wohl die Gabe, meine Leute mitzuziehen. Und weil das so war, hatte ich auch nie den Gedanken, nicht mehr mitmachen zu wollen. Kleinere Rückschläge, wie etwa der Zwist mit Behörden und Waldeigentümern um den Mountainbikemarathon, der ja dann auch schließlich nicht mehr stattfinden konnte, gibt es immer. Aber schließlich steckt im Aufbau des Vereins und der Veranstaltungen des LC eine Menge Herzblut. Ich war zwar hauptamtlicher Geschäftsführer. Aber natürlich habe ich mir nicht jede Stunde Vereinsarbeit bezahlen lassen. Dann wäre der Verein wohl pleitegegangen. Was waren Ihre persönlichen Highlights, wenn Sie an Ihre Verbundenheit mit dem Laufsport denken? BOSCHULTE: Zu Hause, da war ich Gastgeber und wollte dafür sorgen, dass die Läufer in Borgholzhausen eine tolle Zeit hatten. Aber ich habe es als aktiver Sportler, der ich ja selber auch war, geliebt, zu den großen Laufevents anderer Veranstalter zu fahren. Ich bin nach München gefahren zum Marathon, nach Hamburg, Berlin, New York und Boston. 130 Marathonläufe habe ich in 40 Jahren absolviert. Das waren meine ganz persönlichen Höhepunkte im Zusammenhang mit meinem Sport. Nach 44 Jahren an der Spitze der Borgholzhausener Laufbewegung haben Sie Ihren Posten an den Nagel gehängt. Warum gerade jetzt? BOSCHULTE: Ich wollte eigentlich schon vor zwei Jahren aufhören. Aber es fand sich niemand, der sich traute, in meine Fußstapfen zu treten. Eigentlich war immer meine Intention, frühzeitig Leute zu finden, die den Verein weiterführen würden. Aber nach meiner 40-jährigen Alleinherrschaft hatten wir dann trotzdem die missliche Situation, dass niemand dazu bereit war. Ich bin sehr froh, dass es jetzt gelungen ist, die Arbeit auf mehrere Schultern aufzuteilen, so dass ich mit gutem Gefühl einen Schritt zurücktreten kann. Was werden Sie mit Ihrer vielen freien Zeit anfangen? BOSCHULTE: Es hat mir immer Spaß gemacht, die Läufer bei der Nacht zu betreuen, insbesondere die Gäste aus dem Ausland. Ich werde sicher die eine oder andere Sache hilfreich unterstützen. Ich betreue Laufreisen, mache einen Englischkurs und beschäftige mich mit der Ahnenforschung. Außerdem trainiere ich noch immer zwei- bis dreimal in der Woche und betreue Lauftreffs. Inzwischen aber mit viel Entspanntheit und dazu gehört auch mein wöchentlicher Saunabesuch. Ein wichtiges Thema war schon immer das Reisen. Meine langjährige Lebenspartnerin war nie Läuferin. Wenn wir früher irgendwo hingereist sind, dann meistens, damit ich dort laufen konnte. Sie musste eine Menge Verständnis aufbringen. Jetzt fahren wir auch schon noch zu Sportevents, aber zum Gucken und dann verbinden wir es mit einem Abstecher zu den Sehenswürdigkeiten und dem Besuch kultureller Angebote. Haben Sie bei Ihrem Engagement für den LC eigentlich auch manchmal daran gedacht, was Sie damit für Ihr Heimatstädtchen tun? BOSCHULTE: Alles, was ich gemacht habe, habe ich in erster Linie für den Sport und für den Verein getan. Dass Borgholzhausen dabei in aller Welt bekannt wurde, war eben ein schöner Nebeneffekt.

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