Von Nicole Donath
Halle.
Viele Einsätze während seiner 44-jährigen Dienstzeit wurden von grell scheinendem Blaulicht und laut dröhnenden Martinshörnern begleitet. Seine letzte Fahrt als Polizeihauptkommissar hatte als Untermalung zwar auch eine mächtige Geräuschkulisse, verlief dafür jedoch gaaanz gemächlich: Mit einem Trecker-Korso wurde Harald Gatzke von seinen Kollegen, seiner Familie und seinen Freunden am Samstagnachmittag von der Wache aus nach Hause geleitet - letzte Schicht für »König Harald«!Dass der Polizist aus Leidenschaft ausgerechnet mit Treckern und nicht etwa im Einsatzwagen in den Ruhestand geschickt wurde, hatte durchaus seinen Sinn. So hätte sich der 61-Jährige nämlich auch ebenso gut vorstellen können, Landwirt zu werden. "Ich bin auf dem Bauernhof groß geworden und die Arbeit dort macht mir heute noch Spaß", versichert der Hesselner. "Ich muss abends einfach sehen können, was ich geschafft habe." Und so vergeht auch kein Tag, an dem er nicht bei seinem Freund Jürgen von Morsey tüchtig mit anpackt; in Zukunft gewiss noch mehr als je zuvor. Allein weil er in dem Beruf keine rechte Zukunft sah, entschied er sich seinerzeit dagegen - und wurde aus ebenso großer Überzeugung Polizist. Das war am 1. Oktober 1970, nach Beendigung der Haller Realschule.
Auf die Grundausbildung bei der Landespolizeischule in Münster folgten zwölf Monate bei der Bereitschaftspolizei in Wuppertal (Ausbildung für den Einzeldienst) sowie ein weiteres Jahr Posten- und Streifendienst bei der Kreispolizeibehörde Rhein-Wupper in Opladen. Im Oktober 1974 wechselte Harald Gatzke schließlich in seine Heimatstadt Halle und verrichtete hier fast weitere 20 Jahre Posten- und Streifendienst, eher er 1993 zum Dienstgruppenleiter aufstieg, 2009 schließlich zum Wachdienstführer. "Vielleicht haben mich manche belächelt, wenn sie mich bis zuletzt bei der Basisarbeit beobachtet haben", sagt der verheiratete Vater zweier erwachsener Kinder. "Aber das war mir immer egal, denn genau diese Arbeit hat mir am meisten Spaß gemacht." Dabei war gerade das der vielleicht schwerste Job, so als Polizist in der Heimatstadt unterwegs. Allein angesichts des Erwartungsdrucks all derer, die man seit Jahren kennt, manche von klein auf, und die bei Führerscheinkontrollen und Alkoholtests auf ein bis zwei zugedrückte Augen gehofft haben.
Nun, bei Harald Gatzke haben sie das stets vergeblich, denn er hat Privates und Dienst immer strikt getrennt - und das ist schon sehr besonders. Bei den Kollegen hat er sich dafür ebenso wie für seine freundliche und ausgleichende Art, für seine Toleranz und den Blick für seine Mitmenschen während seiner 44 Dienstjahre höchsten Respekt erworben. Die Zahl der vermeintlichen Freunde indes ist gesunken. Doch das, so betont Harald Gatzke, das finde er gar nicht schlimm. "Ich habe meine Familie und zwei wirkliche Freunde - das reicht. Mein Wahlspruch war immer »Gehe anständig durchs Leben, dann bekommst du auch was Anständiges zurück«. Und das hat sich immer bewährt."
Wenn er auf seine Karriere zurückschaut, könnte er von vielen besonderen Einsätzen berichten. Von der Jagd auf den Gewaltverbrecher Robert Pa-nek im Juli 1982 in Steinhagen oder von seinen Begegnungen mit der Queen of England und Prinz Philip. Von seinem Zusammentreffen mit Michail Gorbatschow oder dem Auftrag, im Garten von Walter Scheel auf dessen Kinder aufzupassen. Einen Moment denkt er nach, dann sagt er schließlich: "Als Polizist sieht man die Welt nicht so blauäugig wie manch anderer. Aber ich habe immer versucht, mir das Positive zu bewahren. Und das Wichtigste: Ich würde es noch einmal genauso machen. Ganz genauso ..."