Dr. Kaufhold, Sie sind gebürtiger Bremer, haben in Berlin studiert und im Klinikum Neukölln als Facharzt der kardiologischen Abteilung gearbeitet. Was hat Sie damals ins beschauliche Steinhagen verschlagen?
DR. WOLFGANG KAUFHOLD: Der pure Zufall! (lacht) Meine Frau ist damals während eines Besuchs in Bielefeld bei der Familie erkrankt und ich bin mit meinem Schwiegervater zu ihr quer durch Ostwestfalen gefahren. Und dabei sind wir auf Steinhagen gestoßen. Am Rathaus stand ein Schild »Hier entsteht ein neuer Marktplatz« - das fand ich interessant. Ich habe mich dann erkundigt, welche Möglichkeiten ich als Kardiologe hier habe und fand genau das, was ich immer gesucht hatte.
Und was war das?
DR. KAUFHOLD: Eine kleinere Stadt vor den Toren einer Großstadt. Mit viel Grün drumherum. Das war mir wichtig.
Sie eröffneten am 1. Juli 1984 ihre Praxis an der Brinkstraße. Wie wurden Sie in Steinhagen »empfangen«?
DR. KAUFHOLD: Sehr freundlich! Wir hatten drei Patienten am ersten Tag. Ich wäre auch todtraurig gewesen, wenn gar keiner gekommen wäre.
Bei drei Patienten blieb es ja bekanntlich nicht. Können Sie uns eine kurze Übersicht über ihre berufliche Entwicklung in Steinhagen geben?
DR. KAUFHOLD: Am Anfang halfen mir meine Frau und eine Arzthelferin. Zunächst habe ich alleine gearbeitet. Da mir die Prävention schon immer sehr am Herzen lag, habe ich 1987 die erste Herzsportgruppe gegründet. Deren Übungsabende fanden in der Turn
halle der Grundschule Steinhagen statt. Daraus ist 1999 in Zusammenarbeit mit meiner Kollegin Dr. Heidrun Flügel die ambulante Herz-Kreislauf-Rehabilitation hervorgegangen. Nach dem Weggang von Dr. Flügel im Herbst 2008 hat Dr. Norbert Buhr zunächst als Vertetung, später dann als dauerhafter Kollege, mit mir zusammengearbeitet. Die erste große Veränderung kam am 1. April 2009, als ich in Kooperation mit der Schüchtermann-Klinik in Bad Rothenfelde das Medizische Versorgungszentrum (MVZ)
gegründet habe. Die zweite große Veränderung gab es dann im Juli 2010, als das MVZ in das Gebäude der ehemaligen Post umzogen ist. Wir haben uns damit von 340 Quadratmeter auf knapp 600 Quadratmeter fast verdoppelt. Und seit kurzem unterstützt der Kollege Orhan Uzun das ärtzliche Team.
Wird es Ihnen schwer fallen, ihre Praxis bald - zumindest als Arzt - für immer zu verlassen?
DR. KAUFHOLD: Nein! Ich freue mich auf meinen Rückzug ins Private. Und mal ehrlich: Die Arbeit als selbstständiger Arzt war auch oftmals anstrengend. 40-Stunden-Woche? So was kenne ich gar nicht. Die Arbeit hat mir aber trotzdem immer Freude gemacht. Ich kann auch deshalb beruhigt gehen, weil ich gute Nachfolger in Dr. Buhr und Dr. Uzun gefunden habe. Ich weiß, dass meine Patienten versorgt sind.
Stichwort Patienten: Gibt es einen Fall, den Sie nie vergessen werden?
DR. KAUFHOLD: Mehrere. Aber ein Patient fällt mir da spontan ein - ein Mann aus Moskau, der extra nach Steinhagen reiste, um sich von mir untersuchen zu lassen, nachdem Freunde mich empfohlen hatten. Ich habe ihn nach kardiologischer Diagnostik zur invasiven Diagnostik in die Schüchtermann-Klinik eingewiesen. Dort wurde ihm dann eine Gefäßstütze in eine der Kranzaterien eingesetzt.
Was wird Ihnen sonst aus ihrer 30-jährigen Tätigkeit in Erinnerung bleiben?
DR. KAUFHOLD: Vor allem das große Vertrauen, das mir die Patienten immer entgegengebracht haben. Schließlich lasse ich bei ihnen schwerwiegende operative Eingriffe vornehmen. Der Patient an sich kann meine fachliche Kompetenz ja nur schwer einschätzen, er muss mir einfach glauben, dass ich das Beste für ihn tue. Dass zwischen mir und meinen Patienten eine solche Vertrauensbasis entsteht, damit hätte ich am Anfang nie gerechnet. Aus der Klinik kannte ich das gar nicht.
So viel Nähe zu den Patienten führt doch sicher dazu, dass Sie oft auf der Straße erkannt und angesprochen werden.
DR. KAUFHOLD: Ja und Nein. Viele erkennen mein Gesicht, können es aber im ersten Moment nicht gleich zuordnen. Und wissen Sie, warum? Weil ich keinen weißen Kittel im Supermarkt anhabe. Für meine Patienten gehört der einfach zu mir dazu.
Aber Sie sind mittlerweile doch auch außerhalb Ihrer Praxis bekannt. Zum Beispiel durch die Fachvorträge im Rahmen der Herzwoche, die mit gut 500 Zuhörern zum Publikumsmagneten geworden sind. Hätten Sie mit einem solchen Erfolg gerechnet?
DR. KAUFHOLD: Erwartet nicht, gehofft schon. Wir haben ja 1999 ganz klein angefangen - mit 50 Zuhörern zum Thema Schlafapnoe im Ratssaal. Im nächsten Jahr waren es schon 100 Zuhörer und beim dritten Mal gingen wir in die Mensa des Schulzentrums, um die erwarteten 100 Zuhörer unterzubringen. Doch es waren über 200 Gäste gekommen, die saßen teils auf dem Boden. (lacht) Der Hausmeister hat mit uns geschimpft und gesagt, wir müssten nächstes Jahr in die Aula. Ich hätte nie gedacht, dass wir die jemals voll kriegen, doch mittlerweile kommen jedes Jahr fast 500 Zuhörer aus der Region. Toll!
Und Sie übernehmen die Moderation. Bleibt das auch nach ihrem Ruhestand so?
DR. KAUFHOLD: Nein. Dr. Buhr ist auch hier mein Nachfolger. Aber als Zuhörer werde ich sicherlich mit im Saal sein.
Sie haben die vergangenen Monate schon einmal genutzt, um sich nach und nach von Ihren Patienten zu verabschieden. Wie waren die Reaktionen?
DR. KAUFHOLD: Die meisten waren gerührt, manche haben sogar eine Träne vergossen. Aber alle haben sich für mich gefreut und mir gesagt: »Sie haben es sich verdient«.
Und wie wird Ihr verdienter Ruhestand aussehen?
DR. KAUFHOLD: Nicht ruhig. Ich lese gerne, höre klassische Musik und bewege mich viel. Seit Jahren gehe ich an fünf Tagen in der Woche 45 Minuten Schwimmen. Außerdem liebe ich es, im Teutoburger Wald zu wandern und ich jage gern. Vielleicht gehe ich auch noch einmal an die Universität und höre mir Geschichtsvorlesungen an. Ach ja, und da ich die mediterrane Küche liebe, möchte ich gerne italienisch Kochen lernen.
Da bleibt wohl keine Zeit, dem Berufsleben nachzutrauern, oder?
DR. KAUFHOLD: Nein. Ich glaube nicht, dass mir die Decke irgendwann auf den Kopf fällt. Und wenn doch, erinnere ich mich einfach an die stressigen Momente. Dann geht’s wieder.