„Ich bin froh, dass alles bekannt geworden ist; seit zwei Jahren belastet mich dieses anstehende Verfahren”, lässt Lennart N. (Namen aller Angeklagten geändert) von seiner Anwältin verlesen. Der 30-Jährige ist der Erste, der Richter Christoph Meiring vor der IV. Jugendkammer knapp zwei Stunden lang Rede und Antwort steht. Er berichtet, wie er in einem Versmolder Fitnessstudio von einem Bodybuilder gefragt worden sei, ob er nicht etwas einnehmen wolle, um seinen Muskelaufbau zu beschleunigen. „Das machen ja alle”, sagt er und beschreibt, wie er süchtig nach Anabolika wurde. „Man bekommt einen Tunnelblick und hat dauernd Angst, Gewicht zu verlieren.”
Dann sei er vom Angeklagten Nico F. (34 Jahre) angesprochen worden, der die Ampulle Testosteron für 3,50 Euro statt für fünf Euro angeboten habe. Irgendwann beliefen sich seine Schulden bei F. auf 1800 Euro und dieser habe ihm angeboten, sie abzuarbeiten.
So habe Lennart N. seit 2009 Geld für F. nach China und Pakistan überwiesen. „Pro Überweisung gab es 50 Euro”, sagt er. Doch immer derselbe Name auf den Formularen wäre aufgefallen, deshalb warb N. Freunde und Bekannte dafür an, die sich so ebenfalls Geld dazuverdienten. 118 000 Euro seien im Tatzeitraum von März 2010 bis November 2011 von Versmold aus nach China überwiesen worden, hatte Staatsanwalt Martin Temme zuvor gesagt.
Der nächste Dienst, den Len-nart N. für Nico F. übernahm, war die Annahme von Paketen, in denen der chinesische Lieferant die Rohstoffe schickte, die man zur Dopingmittelherstellung braucht. Mit falschen Namen wurden an Packstationen der Post Fächer eingerichtet, an die die Sendungen gingen. „Illegale Packstationen kann man im Internet für 200 Euro kaufen”, sagt N., der die Pakete für Nico F. abholte.
Solche Informationen habe F. aus dem Internet. „Er war stundenlang in Foren unterwegs, dem konnte man nichts vormachen”, sagt Lennart N. fast bewundernd. Als die Kunden, die bislang die Rohstoffe abgenommen hatten, weggebrochen seien (sie waren in U-Haft), habe F. selbst versucht, die Dopingmittel herzustellen.
Als F. 2010 dann ein anderes Lager brauchte, habe Lennart N. Christian W. „mit ins Boot geholt”, den er seit Kindertagen kenne. Der heute 24-Jährige, der von Lennart N. zudem Anabolika für den Eigenbedarf gekauft haben soll, stellte die elterliche Garage für die Pakete zur Verfügung.
In seiner Aussage vor Richter Meiring bestätigt W. diese Angaben, gibt sich aber in vielem anderen ahnungslos. Er habe nicht gewusst, dass es einen Zusammenhang zu dem Dopinghandel gab; das Ausmaß sei ihm erst deutlich geworden, als die Zollfahndung Hannover im Oktober 2011 eine Großrazzia durchführte (das HK berichtete). Nach längeren Observierungen hatten damals 75 Beamte 14 Wohnungen und Räume in Versmold durchsucht. Dabei waren die drei Angeklagten festgenommen worden und hatten eine Nacht in Untersuchungshaft verbracht.
Seine Gutgläubigkeit sei schamlos ausgenutzt worden; er habe N. nur einen Freundschaftsdienst erweisen wollen, ließ Christian W. zu Beginn seiner Einlassung von seiner Anwältin verlesen. „Sie haben also nie gefragt, woher die Kartons in ihrer Garage kommen und was drin ist?”, fragt der Richter. „Man möchte ja nicht alles wissen”, so W.
So ganz nehmen Richter und Staatsanwalt ihm seine Ahnungslosigkeit nicht ab. Zumal Christian W. auch Geldtransfers nach China abgewickelt hatte - insgesamt 18 000 Euro. „Dafür habe ich nichts bekommen, das war ein Freundschaftsdienst”, so W. Auch dass seine damalige Freundin ebenfalls Überweisungen für Lennart N. in Höhe von 19 000 Euro auf den Weg gebracht hat, ist W. scheinbar nicht mehr so erinnerlich. „Sie haben zusammen insgesamt 37 000 Euro überwiesen - und da wollen Sie mir sagen, dass Sie nie miteinander über die Summen gesprochen haben, dass alles ein Freundschaftsdienst war und Sie sich nie gefragt haben, wofür das war?”, fragt der Richter. „Man war damals einfach so gutgläubig”, wiederholt Christian W., räumt dann aber ein: „Klar habe ich gedacht, dass es nicht rechtens ist, aber gefragt habe ich nie.”
Der Angeklagte Nico F. sagt am 2. April aus.
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