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Auf Arabern nach Absurdistan

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Einen echten »Poetry Slam« - nein, den würde es wohl nicht geben. „Weil ich nicht kritikfähig bin”, witzelte Jan Philipp Zymny. »Quatsch mit Jan Phi-lipp« überschrieb er stattdessen sein Solo-Programm, das 90 Besucher quer durch alle Alters-klassen unbedingt sehen und hören wollten. Ein Abend mit Tiefgang also? Da beschwichtigte der Poet aus dem Bergischen Land eingangs: „Ihr werdet heute Abend nichts lernen, gar nichts.” Vier Themenbereiche versprach er unterdessen: »Geburt«, »Probleme«, »Tiere« und »Fiktive Personen«. In mit feinster Ironie durchzogener »Früher war alles besser«-Mentalität suchte er das Zwiegespräch mit seinem Großvater. Und sinnierte, ob die jungen Väter von heute der übernächsten Generation statt von den Panzern, die nach Russlang getragen wurden, wohl vom Battle in »Call of Duty« erzählen würden. Unverhohlen trug er Auszüge aus dem Tagebuch seiner Schwester vor, die in ihren Aufzeichnungen nicht müde wurde zu betonen, was sie von Jan Phi-lipp hält. „Ich stelle mir vor, dass mein Gehirn gasförmig ist”, zitierte er sie. „Jetzt habe ich jedes Mal, wenn ich niese, Angst, dass ich meinen Verstand verliere.” Tattoos schlug er vor, um Babys nach der Geburt besser auseinanderhalten zu können. Und klassifizierte die »Herr der Ringe«-Filme als „historische Dokumentationen”, wie das Kinderkriegen im Mittelalter ausgesehen haben mag. Auch der Wissenschaft gewährte Jan Philipp Zymny Raum. Dem Trägheits-Moment einer Tänzerin etwa, die sich mit ausgestreckten Armen, aber eben ohne Beine dreht. Anschließend nahm er seine Zuhörer mit nach Afrika, ließ sie an einer Expedition gen Kongo und Sudan teilhaben. Mal auf Araber-Pferden. Mal auf Kamelen. Mal im Angesicht einer Fata, und dann wieder einer Mama Morgana. Es waren gefallene Geschichten. Und Geschichten, an denen man Gefallen fand. Natürlich auch Geschichten - passend zur Kategorie »Probleme« - über die Liebe. „Unerwiderte Liebe”, resümierte der Autor mit Schuhgröße 49 da, „ist eines der schlimmsten Gefühle auf der Welt, gleich nach Langeweile.” Immer wieder schlüpfte er mit verstellter Stimme in die unterschiedlichen Rollen, agierte mit großer Geste. Immer wieder bahnten sich kleine Anspielungen ihren Weg. Immer wieder sorgten bewusst falsch gewählte Konjugationen für Lacher. So »schrob« er etwa das kleine »Gedicht über die Spitzmaus«. Und immer wieder kommentierte Jan Philippp Zymny auch seine eigenen Texte, reagierte spontan und souverän auf Äußerungen aus dem Publikum. Wie ein »Gandhi auf Crack« erklärte er Tam-Pon zum Namen eines Chinarestaurants. Und verwob das Leben gleich mehrerer Charaktere mit dem unsanften Ableben eines Igels, für den die Landstraße ins Nirwana führte. Um schließlich - nach rund zwei Stunden Ausflug gen Absurdistan - mit einem Auszug aus seinem neuen Buch zu enden. Von Detektiv Harry Frottey erzählend, einer Art Jacques Closeau, der sich zwar im Zuge einer Beschattung für den falschen Kofferraum entscheidet, aber daraus immer noch persönliches Kapital zu schlagen vermag.

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