Mit Investitionen in überschaubarer Größe ließe sich an einem Erdkabel genug Wärmeenergie gewinnen, um mindes-tens 200 Wohnhäuser umweltfreundlich zu beheizen und mit warmem Wasser zu versorgen, hat der Elektroinstallateur ausgerechnet. „Wir könnten die Wärme in das Borgholzhausener Nahwärmenetz einspeisen und damit das Schulzentrum und sehr viele Häuser in dessen Umgebung versorgen”, ist sich Bollin sicher.
In seinem Handwerksbetrieb beschäftigt er sich auch beruflich mit der sogenannten Geothermie, die mittlerweile bei vielen neuen Einfamilienhäusern zum Einsatz kommt. Doch die Anlage, die ihm jetzt vorschwebt, hat eine ganz andere Dimension. „Bislang gibt es nach meinem Wissen nichts Vergleichbares”, sagt Dierk Bollin.
Dieser Punkt ist von besonderer Wichtigkeit - nicht aus persönlicher Eitelkeit, sondern aus den Besonderheiten der Gesetzgebung zum Ausbau der Stromtrassen. Der Wunsch nach der Verwendung von Erdkabeln ist flächendeckend in der Bundesrepublik vorhanden. Die Neigung der Netzbetreiber, diesem Wunsch nachzukommen, ist dagegen kaum messbar.
Zum einen werden technische Gründe angeführt, die dagegen sprechen sollen, zum anderen wird von Kosten gesprochen, die im Vielfachen der Kosten von Freileitungen liegen. Die Bundesnetzagentur entschied sich in dieser Ausgangslage für eine quasi salomonische Lösung: Sie gebot den Einsatz von Erdkabeln auf einigen kurzen Teilabschnitten, um Erfahrungen zu sammeln. Diese Ausweisung als Teststrecke soll vor allem verhindern, dass Präzedenzfälle geschaffen werden, auf die sich zahlreiche Bürgerinitiativen in der ganzen Republik sofort stürzen würden.
Dierk Bollin hat sich in den Bereich der Technik intensiv eingearbeitet und auch im Bereich der Kosten einer Erdverkabelung ausgiebig recherchiert. „Moderne Verlegetechniken, bei denen die Rohre in den Boden gepresst werden, sind deutlich billiger als die herkömmliche Erdverkabelung. Und technisch sind sie problemlos anwendbar”, ist er sicher.
Eines der technischen Probleme, die von den Netzbetreibern angeführt werden, ist die Gefahr der Austrocknung des Bodens oberhalb eines Erdkabels. Denn die elektrische Energie muss den Widerstand der Leitung überwinden und dabei wird zum einen Strom verbraucht, wodurch zum anderen Wärme erzeugt wird.
Ein Gutachten, das die Firma Amprion selbst in Auftrag gegeben hat, kommt zu dem Ergebnis, dass ein Erdkabel in zwei Metern Tiefe den umgebenden Boden auf 35 bis 40 Grad aufheizt. Bei einer Freileitung wird noch mehr Wärme freigesetzt, doch diese Wärme erhitzt nur die Luft in der Nähe des Kabels. „An der Oberfläche eines Ackers sind die Temperaturunterschiede aber schon kaum mehr feststellbar”, sagt Bollin.
Ihn als Geothermie-Experten aber hat die Angabe zur dauerhaften Erwärmung des Erdreichs rund um ein Erdkabel sozusagen elektrisiert. Denn von solchen frei nutzbaren Wärmemengen wie an den Erdkabeln können Anlagenbetreiber normalerweise nur träumen (siehe dazu auch Hintergrundkasten rechts).
Dierk Bollin beschäftigt sich nicht mit Träumen, sondern mit konkreten Schritten, diese Idee zu verwirklichen. Ein entsprechender Antrag der BU an den Rat der Stadt ist der nächste dieser Schritte. Die Unterstützung vor Ort ist wichtig und die Tatsache, dass die Stadt Borgholzhausen sich auf Feldern wie regenerative Energie und Nahwärmenetze engagiert, ist ein großes Plus. Die Entscheidungen in dieser Frage allerdings fallen andernorts.
Bollin hat die Idee deshalb bereits im Landesumweltministerium vorgestellt. Er engagiert sich dort in mehreren Arbeitskreisen, die sich mit der Energiewende und den Folgen daraus beschäftigen. Mit Interesse dürfte die Idee in der niedersächsischen Nachbarschaft registriert werden. Auch dort geht die geplante Höchstspannungsleitung sehr nahe an Wohngebieten entlang - und auch dort beschäftigen sich Menschen intensiv mit dem Thema Erdverkabelung.
↧