Borgholzhausen.
Als der junge Lehramtseinsteiger Karl-Dieter Menke 1964 an einem frühen Oktoberabend bei Regen in Barnhausen aus dem Bus stieg, wäre er am liebsten gleich wieder eingestiegen. Er blieb und hat seine Entscheidung nie bereut. Der gebürtige Paderborner wurde Borgholzhausener durch und durch. Er unterrichtete Generationen von Schülern, leitete die Hauptschule bis zu ihrem Ende im Jahr 2000 und war bis zu seiner Pensionierung 2005 als Abteilungsleiter an der Peter-August-Böckstiegel-Gesamtschule tätig. 40 Jahre lang gestaltete er als Mitglied des Stadtrates die politische Landschaft in der Lebkuchenstadt mit. 1984 bis 1998 war er Fraktionschef der SPD und von 1998 bis jetzt stellvertretender Bürgermeister. Zur Kommunalwahl im Mai trat der 73-Jährige nicht mehr an. HK-Redakteurin Kerstin Spieker sprach mit ihm.
Herr Menke, was hat Sie dazu bewegt, sich politisch zu engagieren?
KARL-DIETER MENKE: Der Impuls, politisch aktiv zu werden, kam eigentlich aus meiner Arbeit als Lehrer. Ich war 1964 als Berufsanfänger nach Barnhausen gekommen. Und ich musste feststellen, dass, so schön meine ersten Jahre in einer kleinen, zweizügigen Volksschule auch gewesen sein mögen, sich in der Schullandschaft nichts veränderte. Die Situation war so geblieben wie nach dem Zweiten Weltkrieg. Es gab eine große Stagnation. Als 1968 durch die Schulreform in Nordrhein-Westfalen Bewegung in die Schullandschaft kam, waren wir Lehrer in Borgholzhausen der Ansicht, dass Schule in den politischen Entscheidungsgremien vertreten sein sollte. So ging ich zunächst 1972 als sachkundiger Bürger in den Schulausschuss und von 1975 an hatte ich dann über acht Wahlperioden hinweg ein Ratsmandat.
Warum war es gerade die SPD, in der Sie Ihre politische Heimat fanden?
MENKE: Die Reformbewegung in der Schullandschaft ging klar von der SPD aus. Vor Ort hatten wir engagierte Schulpolitiker wie Hans Schwier, der anfangs noch Schulleiter in Halle war. Von der SPD wurden damals genau die Themen angefasst, bei denen ich dringenden Reformbedarf sah. Da fiel mir als Lehrer die Wahl nicht schwer. 1971 bin ich in die SPD eingetreten.
Sie waren annähernd 40 Jahre lang in der Kommunalpolitik aktiv. Was waren dabei die Dinge, die Ihnen besonders am Herzen lagen?
MENKE: In fast 40 Jahren sind natürlich eine Menge Dinge entstanden. Der Eindruck, tatsächlich etwas bewegen und weiterentwickeln zu können, war für mich immer ein Beweggrund meiner politischen Arbeit. Dabei war für mich ein neues Baugebiet genauso von Bedeutung wie zum Beispiel die Gründung der Gesamtschule mit ihren beiden Standorten in Werther und
Borgholzhausen.
Erst im dritten Anlauf hat es damals mit der Gesamtschule für Borgholzhausen geklappt. Zuvor waren wir unter anderem auch an den Finanzen gescheitert. Und ich kann heute sagen, dass ich mit einem guten Gefühl auf das Ergebnis schaue. Auch im Hinblick auf die Trägerschaft durch den Kreis Gütersloh.
Wenn Sie sagen, dass die Gründung der Gesamtschule drei Anläufe brauchte, zeigt das ja, dass nicht immer alles auf Anhieb klappte. Hatten Sie irgendwann einmal das Gefühl: Jetzt schmeiße ich alles hin?
MENKE: Aufgabe? Nie! Man muss in der Kommunalpolitik einen langen Atem haben und mit Konsequenz einerseits und Kompromissfähigkeit andererseits an die Dinge herangehen. Dann kann man am Ende in der Regel auch etwas bewegen.Da kommt ein Aufgeben nicht in Frage.
Können Sie noch andere Beispiele dafür nennen?
MENKE: Dazu zählt sicherlich der Bau des Stadions. Von 1985 bis Anfang der 90er Jahre hat es gedauert, bis wir zu Ergebnissen kamen. Ich war damals Fraktionschef und die SPD war schon früh der Ansicht, dass wir das Stadion in Borgholzhausen so bauen sollten, wie es schließlich auch gebaut wurde. Im Laufe der Jahre gab es eine Vielzahl von Varianten, die diskutiert wurden. Varianten hinsichtlich des Standortes und auch der Ausstattung. Eine Reihe Sporttreibender forderte anstatt eines Stadions den Bau einer vierten Halle in
Borgholzhausen.
Wir haben uns alle Vorschläge angehört, blieben aber bei unserer ursprünglichen Meinung. Wenn man von etwas überzeugt ist, dann muss man dabei bleiben, auch wenn es mal etwas länger dauert, bis man Pläne umsetzen kann. Und es gehört dazu, Tapferkeit vor dem Freund zu zeigen. Denn natürlich wollten die Hallensportler ihre Halle und es gab eine Reihe von ihnen, mit denen ich freundschaftlich verbunden bin. Trotzdem blieben wir aus Überzeugung bei unserer Planung für das Stadion. Und heute ist es sicherlich eine unumstrittene feste Größe in der Borgholzhausener Sportlandschaft.
Sie waren zwölf Jahre Fraktionschef der SPD in
Borgholzhausen.
Was waren dabei Ihre schwierigsten Momente?
MENKE: Gleich zu Beginn meiner Amtszeit 1984 stellten Gegner der A 33 den Antrag, den Weiterbau der A 33 als Stadt abzulehnen. Wir tagten damals im Gemeindehaus und es kamen bestimmt 200 interessierte Bürger zur Sitzung. Da musste ich die Position der SPD-Fraktion vortragen, und die Meinung der SPD, auf den Bau einer Autobahn oder einer entsprechend ausgebauten Straße auf der geplanten Trasse nicht verzichten zu können, fand schließlich mehrheitliche Zustimmung. Schwierig war auch die Entscheidung, 1995 in einem äußerst prekären Haushaltsjahr die Zuwendungen für die Vereine zu reduzieren. Ich habe dann den Vorschlag gemacht, mit gutem Beispiel voranzugehen und auf die Sitzungsgelder für die Fraktionen zu verzichten. Zwar konnten wir uns mit dem Vorschlag im Rat nicht durchsetzen, die SPD-Fraktion spendet ihre Sitzungsgelder aber noch heute für gemeinnützige Zwecke. Eine weitere schwere Entscheidung war auch die, 1998 nach Aufhebung der Doppelspitze keinen SPD-Kandidaten für das Amt des hauptamtlichen Bürgermeisters ins Rennen zu schicken, sondern den parteilosen Verwaltungsmann Klemens Keller zu unterstützen. Aus heutiger Sicht eine goldrichtige Entscheidung. Leicht fiel uns das damals aber nicht.
Warum sind Sie gerade zu diesem Zeitpunkt nicht mehr zur Wahl angetreten?
MENKE: Ich habe das Pensionsalter für katholische Pastoren - 70 Jahre - bereits überschritten und ich wollte nicht auch noch das der Bischöfe - 75 Jahre - überschreiten, bevor ich mich zurückziehe. Außerdem bin ich der Ansicht, dass die Jungen aktiv werden müssen und für ihre Generation die Sache in die Hand nehmen müssen. Wenn ich nicht gehe, kann kein Junger nachrücken.
Und was werden Sie jetzt mit der vielen freien Zeit beginnen?
MENKE: Ich bin begeisterter Philatelist. Leider liegen noch viele Jahrgänge unsortiert in Tüten. Das möchte ich künftig ändern. Auch habe ich schon mal darüber nachgedacht, ein Buch über Schulgeschichte und Schulgeschichten in Borgholzhausen zu verfassen.
Würden Sie aus heutiger Sicht alles wieder so machen, wie Sie es getan haben?
MENKE: Ja! Man geht immer schlauer aus einer Sache heraus, als man hineingeht. Ich durfte so wertvolle Erfahrungen machen, die fast 40 Jahre in der Kommunalpolitik möchte ich nicht missen.
Herr Menke, vielen Dank für das Gespräch.