Von Rolf Birkholz
Werther/Gütersloh. Mit einigem Stolz präsentiert das Stadtmuseum Gütersloh ein altes, frisch restauriertes Gemälde des Wertheraner Expressionisten Peter August Böckstiegel. Das »Familienbild« war vermutlich zuletzt 1927 im Münchener Glaspalast öffentlich gezeigt worden. Danach hatte es im Haus Böckstiegels in Arrode gehangen, um dann für wohl 60 Jahre in einem Wandschrank dort zu verschwinden. Nun erstrahlt es in neuer Frische. Ab kommenden Sonntag, 11.30 Uhr, wird es erstmals seit fast 90 Jahren wieder öffentlich gezeigt.
"Das ist für uns etwas Außergewöhnliches", empfindet es Museumsleiter Dr. Rolf Westheider als eine Auszeichnung, das Werk als erstes Museum wieder vorstellen zu dürfen. Das hat auch damit zu tun, dass das Haus kein eigentliches Kunstmuseum ist. Als Stadtmuseum sei es vielmehr eine Stätte, an der "auch Geschichten erzählt werden können", sagt David Riedel. Der Leiter des Böckstiegel-Hauses in Werther will um das zentrale »Familienbild« herum neben einigen weiteren, thematisch verwandten Bildern auch den Prozess der mühevollen Instandsetzung der 134 mal 179 Zentimeter messenden und damit fast größten Arbeit Böckstiegels vor Augen führen.
Denn das Entdecken war schnell getan. Im Sommer 2012, kurz nachdem Riedel seine Stelle angetreten hatte, öffnete er einfach einen Wandschrank und fand darin unter altem Fotometarial des Böckstiegel-Sohnes und Fotografen Vincent eine zusammengefaltete Leinwand: Es handelt sich um eben jenes den Maler selbst und sieben weitere engste Familienmitglieder zeigende Gemälde (das HK berichtete). Es hatte laut Riedel nach dem großen Bombenangriff auf Dresden, wo der Künstler sein Atelier hatte, im Februar 1945 als verbrannt, jedenfalls verschollen gegolten.
Dem großen Kunsthistoriker-Glück folgten die Mühen der Restauratorin. Ilka Meyer-Stork war, wie sie sagt, sehr "betroffen", als sie die schwer beschädigte Leinwand zu Gesicht bekam. Auseinander gefaltet konnte das Stück überhaupt nur waagerecht, durch ein Fenster aus dem Böckstiegel-Haus gehoben und in ihr Atelier in Bergisch-Gladbach gebracht werden. Dort musste das brüchige Gewebe behutsam geglättet, die abgesprungenen rund 600 Farb-Schollen in einer Puzzle-Arbeit in die ursprünglichen Stellen des Gemäldes eingefügt, manche Fehlstellen gefühlvoll im Leinwandton angepasst werden.
Es habe sich gezeigt, so die Restauratorin, dass Böckstiegel die Rückseite eines anderen Motives, zwei weibliche Akte, bemalt und die Leinwand offenbar auch nicht ideal grundiert habe, wodurch ein Halt der Farben beeinträchtigt worden sei. Die weiter bestehende Empfindlichkeit des Gemäldes machte es erforderlich, es hinter entspiegeltem Glas zu zeigen. Den 1000 Arbeitsstunden dauernden Restaurationsprozess, der vom Land NRW und dem Böckstiegel-Freundeskreis gefördert worden ist, hat überdies die Bielefelder Künstlerin Marion Denis fotografisch dokumentiert. So handelt die Ausstellung denn auch »Vom Suchen, Finden und Restaurieren«, macht mittels Pe-trischalen und chirurgischem Besteck ähnlichen Gerätschaften die Wiedergeburt nachvollziehbar. Eine schwere Geburt, aber ein ansehnliches Ergebnis.