„Man liest regelmäßig: Den Schülern fehlt die Ausbildungsreife”, sagt Reinhold Borutta. Der Lehrer betreut seit Jahren Maßnahmen, wie die Werkstatttage und Potenzialanalysen, an der Realschule
Halle.
„Wie sollen sie die Reife denn bekommen, wenn ihnen die Förderung noch weiter gekürzt wird?”
Das Problem: Seit vielen Jahren können Schulen am Startklar-Projekt des Landesministeriums für Schule und Weiterbildung teilnehmen. Dann bekommen sie Gelder, mit denen sie ihre Schüler an Ausbildungsförderungsmaßnahmen teilnehmen lassen können. Gegenwärtig besuchen die Haller Realschüler dafür in der achten Klasse zwei Wochen lang das »Ravensberger Jugendbildungshaus«.
„Dort können sie dann von Profis etwas über die Berufe lernen, ganz praktisch”, erklärt Borutta. Dazu gehören Metall- und Holzarbeiten, Einblicke ins Gaststättengewerbe, ins Friseurhandwerk, in die Elektrotechnik, je nach Interesse des Schülers. „So können sie viel ausprobieren.” Bei der sogenannten Potenzialanalyse lernen sie zusätzlich zwei Tage lang anhand von Übungen ihre eigenen Stärken und Schwächen kennen.
Nun will die Landesregierung die Gelder anders verteilen: Aus »Startklar-Schulen« wird »Kein Abschluss ohne Anschluss« (KAoA).
Aus zehn Tagen in der Werkstatt werden drei
„Das bedeutete für uns: halb so viel Leistungen wie vorher”, sagt Borutta. „Zwei Tage Potenzialanalyse müssen nun an einem Tag bewältigt werden.”
Besonders einschneidend ist die Neuerung aber bei den praktischen Werkstatttagen: Aus bisher zehn Tagen werden drei. Und diese drei sollen nicht in einem Bildungszentrum stattfinden, stattdessen sind gemeinsame Besuche in lokalen Betrieben geplant.
Die Motivation für diese Neuerung ist für Lehrer Heinrich Lübbert, der die Maßnahmen an der Realschule Steinhagen koordiniert, klar: „Das passiert natürlich aus Kostengründen. Werkstatttage sind nicht billig.” Es sei naheliegend zu vermuten, dass durch die Unternehmensbesuche, die im Gegensatz zu den Bildungsmaßnahmen umsonst seien, Gelder eingespart werden sollen.
Die Einsparungen sind unter anderem deshalb notwendig geworden, weil beim neuen KAoA-System im Gegensatz zu Startklar alle weiterführenden Schulen mitmachen müssen. Die Gelder werden also nun auf erheblich mehr Schüler verteilt. „Mehr Schüler bei gleichem Etat funktioniert nicht”, sagt Lübbert. „Gymnasien brauchen diese Maßnahmen auch gar nicht. Die haben einen völlig anderen Bildungsauftrag. Dort geht es vor allem um das wissenschaftliche Arbeiten.” Er ist sich mit seinem Kollegen Borutta einig, dass mit den geplanten Umstellungen ein bisher „funktionierendes Instrument” ohne Not weggeworfen werde.
Wie KAoA in den Details funktionieren soll, ist beiden aber noch unklar. „Im kommenden Schuljahr soll es noch wie gehabt weitergehen. Was dann folgt, ist unklar”, sagt Borutta. Und Lübbert bestätigt: „Ich vermute schon, dass die Übergangsquote zu Ausbildung bei uns sinken wird. Alles andere wird man in zwei Jahren sehen.”