Mit einfachen Verhältnissen zurechtkommen? Das ist für Tobias Kratz nichts Neues. Vier Monate lang hat er in einem christlichen Waisenhaus in Äthiopiens Hauptstadt Addis Abeba die dortigen Mitarbeiter unterstützt. Drei Monate lang absolvierte er 2013 in Togos Nachbarland Ghana ein Praktikum in einer Klinik. „Dabei habe ich noch mehr mein Interesse an sozialer Arbeit entdeckt.”
Gesundheitssysteme, soziale Systeme - „es interessiert mich, wie sich so etwas aufbaut”. Im Zuge einer ersten Reise nach Togo ist der Ergotherapeut auf ein Projekt in Ghanas Nachbarland aufmerksam geworden, dessen Mitarbeiter am Aufbau von Jugendarbeit interessiert sind. Die französische Organisation »Jeune Cosmopolite Engagé« (JCE) nämlich möchte genau dies an einer Schule in Lomé verwirklichen. „Das Programm ist auf die ganze Welt ausgerichtet”, erklärt Tobias Kratz. Von Franzosen und Togolesen gegründet, wird es nun erstmals in Togo aktiv.
Bei dieser Premiere will der 32-Jährige dabei sein. „Es wird eine Bibliothek für die Kinder weiter ausgebaut”, umreißt er eine der Aufgaben, mit dem er betraut sein wird. „Wir werden Vorleseabende organisieren. Die Kinder sollen sich mit dem Medium Buch auseinandersetzen.” Kratz wird auch Capoeira-Kurse anbieten. Sowohl für die Schülerinnen und Schüler der »Complexe Scolaire Saint-Esprit« (CSSE) in Lomés Stadtteil Avepozo.
Aber auch für andere Kinder und Jugendliche, die dort im Viertel leben. Niederschwellige Jugendarbeit, wo es bisher gar keine gibt. Die Stärkung der sozialen Arbeit ist ihm ein besonderes Anliegen. „Ich finde”, erklärt der Bielefelder mit Wertheraner Wurzeln, „das muss weltweit noch ausgebaut werden. Es kann doch nicht sein, dass Menschen so eingeschränkt leben müssen - und andere mehr Möglichkeiten haben”, findet er.
Viele Freunde in Togo wollen Deutschlehrer werden
Capoeira ist eine brasilianische Kampfkunst, deren Ursprung auf den afrikanischen NíGolo (»Zebratanz«) zurückgeführt wird. Sie wurde während der Kolonialzeit in Brasilien von aus Afrika eingeschifften Sklaven praktiziert und weiterentwickelt. Damit beschäftigt sich Tobias Kratz bereits seit vielen Jahren. „Mit 18 hab’ ich angefangen”, erzählt er. „Ich kenne bisher keine Schule in Togo, die Capoeira anbietet”, erläutert er.
„Ich interessiere mich sehr für die afrikanische Kultur”, so der Ergotherapeut weiter. Und er möchte mit den Menschen vor Ort ins Gespräch kommen, um das Thema »Soziale Arbeit« zu diskutieren. „Aus diesen Diskussionen”, so seine Idee, „sollen weitere Projekte entstehen.”
Was ihn an Togo fasziniert? „Die Offenheit der Menschen”, sprudelt es aus Tobias Kratz he-raus. „Togo ist ein sehr armes, wirtschaftlich abhängiges Land, das gerade für seine Unabhängigkeit kämpft.” „Es gibt viele Menschen, die viele Sprachen sprechen. Togo war ehemals eine deutsche Kolonie. Aber man trifft mittlerweile auch auf viele junge Menschen, die Deutsch sprechen. Viele meiner Freunde dort studieren Deutsch mit dem Ziel, Lehrer zu werden.”
„Ich werde in Togo eine Wohnung bekommen, die man für ein halbes Jahr anmietet”, blickt Tobias Kratz in die nahe Zukunft. Seine eigene Wohnung in Deutschland hat er längst gekündigt, wohnt seit einiger Zeit - auf gepackten Koffern sitzend - zur Untermiete. „In Ghana”, erzählt er, „habe ich in einer Holzbaracke gewohnt. Es wäre toll, wenn die sanitären Anlagen diesmal gesichert sind.” Draußen zu kochen oder Wäsche zu waschen - „das ist nicht mehr so die große Umstellung für mich.” Und dann wird er doch kurz nachdenklich: „Ghana zu Togo - das ist noch einmal ein sehr großer Kontrast.”
Zweimal wöchentlich wird er Capoeira-Unterricht geben. „Ziel ist es, die Jugendlichen im Viertel dafür zu begeistern, am Angebot teilzunehmen.” Denn eines ist sich Tobias Kratz bewusst: „Man muss in der sozialen Arbeit auch immer darauf achten - selbst, wenn ein Projekt läuft - dass man die Begeisterung dafür aufrechterhält.”
von alexander heim
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