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„Hatte immer das Wohl der Kinder im Blick”

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Herr Lange, als Sie 1987 zur Grundschule Werther wechselten - damals zunächst als Konrektor unter der Leitung Ihres Vorgängers Hans-Joachim Knippschild - kamen Sie von der Hauptschule. Wie haben Sie den Sprung von der Arbeit mit den großen hin zum Umgang mit den kleineren Kindern geschafft? UDO LANGE: Den haben mir meine eigenen Kinder erleichtert. Ich wurde quasi gemeinsam mit meinem jüngeren Sohn eingeschult. Der ältere kam schon in die vierte Klasse. Und so konnte ich ein Händchen im Umgang mit den Kleinen entwickeln und war in meiner Anfangszeit hier auch gleich immer ganz dicht dran an den Kindern. Sie sind seit 1976 Lehrer in Werther, haben die Grundschule in Werther knapp 20 Jahre lang geleitet. Eines Ihrer Fächer ist Deutsch. Wie haben die Kinder das Schreiben und Lesen zu Beginn Ihrer Tätigkeit erlernt, wie heute? LANGE: Damals erlernten die Kinder das Schreiben und Lesen noch ganz klassisch. Sie machten sich mit einem Bündel an Grundwörtern vertraut, das dann ständig Erweiterung erfuhr. Heute ist der Ansatz, dass man sagt: Kinder wollen schreiben und tun das auch - am Anfang aber eben natürlich nicht gemäß der gängigen Rechtschreibregelung. Nun wäre es ja furchtbar, wenn die Hefte ständig rot wären von der Tinte des Lehrers. Deshalb korrigiert man die Kinder anfangs nicht, sondern lässt sie erst einmal gewähren, um ihre Motivation nicht zu bremsen. Was ist aus Ihrer Sicht die richtige Vorgehensweise? LANGE: Das ist noch nicht entschieden. Die Frage, die nicht beantwortet ist, ist die nach dem richtigen Zeitpunkt, zu dem der Ernst des Lebens dann doch mal um die Ecke schauen darf. Sprich, wann der Lehrer oder die Lehrerin auf korrekte Schreibung drängen sollte. Der veränderte Ansatz bei der Vermittlung von Rechtschreibkenntnissen ist ja nur ein Beispiel für im Ministerium erarbeitete Konzepte für Pädagogik und Didaktik, deren Umsetzung letztlich bei Ihnen als Schulleiter lag. Wie haben Sie es hinbekommen, dass Ihnen ihre Mannschaft stets gefolgt ist? LANGE: Mein Grundsatz war immer, alle Themen und Ziele gemeinsam anzugehen. Gerade, wenn eine Maßnahme vielleicht zunächst unpopulär erschien, habe ich für sie geworben. Wenn man eine Vorgabe nun einmal nicht ändern kann, dann ist es ja sinnvoller, gemeinsam dafür zu sorgen, dass bei ihrer Umsetzung am Ende doch ein gutes Ergebnis steht. Und ich habe mich darum bemüht, dass wir bei allem, was wir taten, immer das Wohl der uns anvertrauten Kinder im Blick behielten. Würden Sie von sich sagen, dass Sie ein angenehmer Chef waren? LANGE: Ich denke schon. Wir haben hier immer gelebt, was man als flache Hierarchie bezeichnet. Wir hatten im Kollegium immer eine gute Zusammenarbeit, auch wenn nicht alles euphorisch begrüßt wurde. Ein Prüfstein war im vergangenen Jahr die Qualitätsanalyse. Vor der abschließenden Prüfung im Haus hatten wir alle gehörigen Respekt. Wir haben das, was nicht wenigen regelrecht wie ein Monster erschien, aber gemeinsam gebändigt bekommen und standen am Ende mit guten Ergebnissen da. Darauf bin ich stolz. „Vorteile des Verbundes überwiegen” Gab es auch mal Punkte, an denen es mal nicht so gut lief? LANGE: Das war zum Beispiel nach der Zusammenlegung der Grundschulen Werther und Langenheide. Ich hatte mich auch als Ratsherr immer stark gemacht für den Erhalt des Schulstandortes Langenheide und wurde dennoch nach dem Zusammenschluss in Langenheide mit erheblichen Vorbehalten empfangen. Man hatte dort offenbar den Eindruck gewonnen, ich käme als Konkursverwalter. Ich war tief getroffen. Das ist zum Glück Vergangenheit. Wir haben zu einer guten Zusammenarbeit gefunden und ich denke, dass inzwischen die Vorteile des Verbundes überwiegen. Ich bin im Übrigen sehr froh darüber, dass ich als Schulleiter nie einem Kollegen sagen musste, dass wir hier keine Arbeit mehr für ihn hätten. Und bis 2020 ist der Ausblick hinsichtlich der Schülerzahlen so, dass das Angebot in Werther und Langenheide im Wesentlichen so erhalten bleiben wird. Wie haben sich denn die Schülerzahlen hier in Werther während Ihrer Amtszeit verändert? LANGE: Gestartet bin ich mit über 400 Schülern hier in
Werther.
Und in Langenheide war man damals durchgängig zweizügig. Heute haben wir rund 330 Kinder am Standort Werther und 110 in Langenheide. Und eine zuverlässige Planung kann angesichts zu erwartender, aber kaum genau bestimmbarer Migrationsbewegungen niemand wagen. Ich erinnere da nur an den Bürgerkrieg in Jugoslawien, der uns seinerzeit plötzlich eine ganze Reihe neuer Schülerinnen und Schüler nach Werther brachte. Herr Lange, in Ihrer Amtszeit haben sich ja nicht nur die Inhalte von Schule verändert. Ihre Amtszeit ist auch eine Baugeschichte der Grundschule
Werther.
Was hat sich da so alles getan? LANGE: Nun, als ich kam, standen eine Turnhalle und das Hauptgebäude sowie auf dem Hof drei gammelige Container, in denen unterrichtet werden musste. Da haben wir bei Regen einen Eimer unter ein Leck im Dach gestellt und mit den Kindern so das Zählen geübt. Fragestellung war, wie viele Tropfen innerhalb eines bestimmten Zeitraums in den Eimer fielen. 1990 kam dann der erste Neubau mit Foyer, 1994 erhielt die Randstunde ein eigenes Domizil und es kamen noch einmal drei Klassenräume dazu. 2000 wurde eine zweite Turnhalle gebaut und an beiden Standorten die Voraussetzung für eine kindgerechte Pausenhofgestaltung geschaffen. 2010 kam dann noch die Mensa hinzu. Langenheide ist über die Jahre im Bestand gleich geblieben. Neu entstanden ist dort allerdings der Kunst- und Musiktrakt. Sie haben sie selber genannt: den Bereich für den Ganztag und die Mensa. Damit kommen wir vom äußeren Wandel wieder zum inhaltlichen. LANGE: Stimmt. Die Entwicklung hin zum Ganztag ist sicherlich eine der interessantesten im Laufe meiner Jahre als Lehrer und Schulleiter. Welche Rolle spielt das Ganztagskonzept in Ihren Vorstellungen und Wünschen hinsichtlich einer Schule der Zukunft? LANGE: Eine zentrale. Für mich ist die Grundschule der Zukunft auf jeden Fall eine Ganztagsschule. Aber eine, in die auch die außerschulische Bildung eingebunden ist. Schulische und außerschulische Bildung müssen zu einem kindgerechten Gesamtkonzept verschmelzen. Das bedeutet, neben dem Deutschunterricht oder Mathe muss auch das Angebot des Sportvereins oder der Musikschule für die Kinder im Ganztag zur Verfügung stehen. Nur so kommen wir zu mehr Chancengleichheit. Die Trennung zwischen Bildung am Vormittag und Betreuung am Nachmittag muss nach meiner festen Überzeugung aufgehoben werden. Außerdem wünsche ich mir einen offenen, angstfreien Dialog zwischen Eltern und Lehrern. Davon können die Kinder nur profitieren. Wie auch von einer guten Sozialarbeit an der Schule. Das sehe ich gerade auch bei unserer Schulsozialarbeiterin hier in
Werther.
„Jetzt sind andere dran” Am 31. Januar haben Sie Ihren letzten Arbeitstag. Wie geht es dann weiter? LANGE: Ich habe mir auf jeden Fall vorgenommen, hier nicht dauernd nach dem Rechten zu schauen. Man kann nicht gehen, wenn man eigentlich noch bleiben will. Sollte mich im Übergang jemand um Hilfe bitten, bin ich natürlich da. Ansonsten glaube ich, dass diese Schule verdient hat, dass jemand mit neuen Ideen kommt. Meine eigene Schulzeit war wenig erfreulich. Mich trieb immer der Gedanke an, es selber besser machen zu wollen. Quasi wie eine Art Wiedergutmachung. Jetzt sind andere dran. Was werden Sie tun als Pensionär? LANGE: Ich werde mich verstärkt dem Ehrenamt widmen. Sicherlich weiterhin im politischen Bereich. Aber ich werde mir auch darüber hinaus ein Betätigungsfeld suchen. Nicht im schulischen Bereich. Wie gesagt: Da sind jetzt andere dran. Herr Lange, wir bedanken uns für das Gespräch.

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