Quantcast
Channel: Haller Kreisblatt
Viewing all articles
Browse latest Browse all 3262

Neues Kapitel im ältesten Haus der Stadt

$
0
0
Hans Hawerkamp ist stolz auf die Geschichte seines Zuhauses. Seit seiner Geburt lebt der 66-Jährige in dem Fachwerkgebäude. Zusammen mit seinem Zwillingsbruder und seiner Mutter. „Wir könnten es nie verkaufen”, beschreibt Hans Hawerkamp seine Bindung zu dem denkmalgeschützten Haus. Umso glücklicher ist er darüber, dass nun auch wieder Leben in das Erdgeschoss des Hauses zieht. Seit der Schließung der dort ansässigen Schlecker-Filiale im Juli 2010 war es hinter den abgeklebten großen Fensterscheiben leer geblieben. „Einmal bin ich abends vom Kirchweg aus nach Hause gegangen und habe auf das dunkle Haus geblickt”, erzählt Hans Hawerkamp, „und ich habe gedacht, wie schön wäre es, wenn doch alles beleuchtet wäre”, sagt er. Sein Wunsch ist nun in Erfüllung gegangen. Und bald wird es im Oldermann’schen Haus wieder so lebhaft zugehen wie in früheren Zeiten. Seit mehr als 120 Jahren ist das Haus im Besitz der Familie Hawerkamp. Hans Hawerkamps Großvater Karl hat das Ständerhaus etwa um 1890 gekauft. Er war Bäckermeister und richtete im Erdgeschoss neben der Backstube auch ein Ladenlokal ein. Hinter dem heutigen linken Schaufenster lag zudem noch die Wohnstube der Familie. „Es gab einen riesigen Kachelofen, der Laden und Stube beheizt hat”, erzählt Hawerkamp. Er hat versucht, die Geschichte des Gebäudes mit Hilfe des Stadtarchivs zu rekonstruieren. Lückenlos ist das leider nicht mehr möglich. Und so muss sich Hans Hawerkamp bei manchen Details auf Erzählungen und die Erinnerungen seiner 94-jährigen Mutter Frieda Maschmann verlassen. Das nächste schriftliche Dokument im Stadtarchiv stammt nämlich erst wieder von 1913. Es ist ein Bauantrag zur Errichtung einer Tischlerei hinter dem Bäckerhaus. Heinrich Husemann hatte dort gemeinsam mit seinem Kompagnon Lünstroth seinen Betrieb, aus dem dann später das heutige Beerdigungsinstitut an der Berliner Straße 1 hervorgegangen ist. „Außer der Tischlerei gab es hinter dem Haus nämlich auch noch Pferdeställe und eine Scheune”, erinnert sich Hawerkamp, denn das Gebäude stand damals nicht wie heute dicht an dicht in einer Reihe mit anderen, sondern frei auf einem etwa 2000 Quadratmeter großen Grundstück. „Die Bäckerei hatte viel Kundschaft aus Peckeloh - Bauern, die mit Pferd und Wagen kamen”, sagt Hawerkamp. Die konnten nicht nur zum Einkauf ihre Pferde bei Hawerkamps unterstellen, sondern auch beim sonntäglichen Kirchgang direkt auf der anderen Straßenseite. „Das war ein Service, den wir angeboten haben”, sagt Hawerkamp. Ein weiterer war, dass nach dem Kirchgang in der Bäckerei auch das ein oder andere Schnäpschen gereicht wurde. Gesellig ging es aber auch im übrigen Teil des Hauses zu. In dem niedrigen Zwischengeschoss, das heute noch durch die mittlere Fensterreihe erkennbar ist, waren neben dem Lager auch die Schlafräume der Bäcker und Dienstmädchen untergebracht. „Es müssen dort etwa zehn kleine Kammern gewesen sein”, erinnert sich Hawerkamp. Und er weiß auch noch, dass mit allen Familienmitgliedern und Angestellten manchmal bis zu 14 Leute am Mittagstisch gesessen haben. „In den 1950er-Jahren haben wir die Decken des Erdgeschosses dann teilweise hochgezogen”, berichtet Hans Hawerkamp. 1952 starb sein Vater Karl Hawerkamp. Die Familie führte das Geschäft jedoch weiter - bis 1982. Dann endete das Kapitel der Bäckerei und Konditorei Hawerkamp gegenüber der Petri-Kirche. 1983 zog der Schlecker-Markt in das Ladenlokal ein und blieb dort 27 Jahre lang. Nun freut sich Hans Hawerkamp über den Kunstkreis als Mieter. „Das passt gut ins Stadtbild rein”, sagt er. Für ihn und seine Angehörigen ändert sich nichts. Sie bewohnen weiterhin das aus- und umgebaute Dachgeschoss des historischen Hauses. Und etwas anderes könnte Hans Hawerkamp sich auch gar nicht vorstellen. „Den Blick aus dem Fenster zur Petri-Kirche rüber”, sagt er, „den muss man einfach gesehen haben.”

Viewing all articles
Browse latest Browse all 3262