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Ein Brunnen gibt Rätsel auf

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„Wilde Schichten” nennt Florian Spee das, was er bei der Entkernung der Deele als Boden vorfand. Bretter, Erde, Pflastersteine - mit den verschiedensten Materialien hatten die früheren Bewohner des Kottens den Grund ausgelegt und so im Laufe von weit mehr als hundert Jahren eine rund 50 Zentimeter dicke Schicht angehäuft. „Aber richtig isoliert war das nicht”, sagt Joachim Klack. Deshalb sollte nun ein fester Betonboden gegossen werden. Doch als die Männer den Boden soweit ausgehoben hatten, stießen sie zunächst auf ein anderes Betonstück, das kreisrund auf dem Boden lag. „Was ist das denn?, haben wir uns gefragt”, erzählt Florian Spee. Von Neugier getrieben, wurde die Betonplatte sofort an die Seite gerückt - und gab den Blick auf ein etwa drei Meter tiefes Loch im Boden frei, das gut einen Meter mit Wasser gefüllt war. Schnell war klar, dass es sich um einen Brunnen handelte, aus dem die Vorfahren Trink- und Brauchwasser geschöpft hatten. „Ungewöhnlich”, findet Joachim Klack das und rätselt über den Sinn der Konstruktion im Innern des Hauses. Denn selbst in harten Wintern sind die Böden in der Gegend maximal bis zu 80 Zentimeter Tiefe gefroren. „Das Grundwasser steht aber hier viel tiefer, so dass auch draußen keine Gefahr bestanden hätte, dass es einfriert”, sagt Klack. Ein anderes Rätsel ist die Bauweise. Der Brunnen ist mit grob behauenen Feldsteinen ausgemauert. Eigentlich hätte erst das drei Meter tiefe Loch ausgehoben und dann mit den Steinen von unten nach oben ausgemauert werden müssen. „Doch ein so tiefer Schacht wäre eingestürzt, wenn man ihn unbefestigt ausgehoben hätte”, sagt Joachim Klack und hofft, dass sich jemand meldet, der Ahnung von Brunnenbaukunst hat, und auflösen kann, wie das Bodenbauwerk in das Haus kam. Klacks Vorfahr Peter Heinrich Klack und seine Frau, die „Witwe Anna Elisabeth Voss”, hatten laut Balkeninschrift über dem Deelentor das Heuerlingshaus am Helleweg 1883 errichten lassen. Aber in den Unterlagen des Bockhorster Hofes Klack wird genau dieser Peter Heinrich schon viel früher erwähnt. „Demnach müsste das Haus in den 1830er-Jahren gebaut worden sein”, sagt Klack und steht auch hier vor einem Rätsel, das nur schwer zu lösen ist. Mit Strahlern und Glasplatte ein dekoratives Element E twas eindeutiger ist schon die Geschichte der Bewohner des kleinen Hauses. Denn im Familienarchiv der Klacks findet sich ein Artikel aus dem Haller Kreisblatt vom 3. Oktober 1952. Und in dem wird nicht nur Klacks Großeltern Heinrich und Luise Klack zur goldenen Hochzeit gratuliert, sondern zeitgleich auch Friedrich und Minna Klinksiek, den Bewohnern des Kottens, zum 50-jährigen Heuerlings-Jubiläum. „Schon die Eltern des Mannes waren Kötter bei Klack. Mit Stolz spricht der Bauer von seinen Heuerlingen, deren Treue und Fleiß er wohl zu schätzen weiß”, hieß es damals in der Heimatzeitung. Die Zeit der Heuerlinge ist lange vorbei und nun bewohnen Klacks Söhne den frisch renovierten Kotten, der zum Doppelhaus avanciert ist - und das mit einem besonderen dekorativen Element. Denn der Brunnen in der Deele von Florian Spee wird von Strahlern ausgeleuchtet und ist mit einer Glasplatte versehen. „Das hat nicht jeder”, sagt der 30-Jährige. „Wir wissen nur noch von zwei weiteren Höfen mit ähnlichen Konstruktionen”, ergänzt Joachim Klack, während er fasziniert in die Tiefe starrt. Denn der Landwirt sieht außer Dekoration und Historie noch etwas ganz anderes in dem Brunnen. „Ich kann hier immer gut den Stand des Grundwassers ablesen”, sagt er. Die Wassersäule ändert sich analog zu Trocken- oder Regenzeiten. Und dann wird er ein wenig philosophisch. „Das, was wir hier sehen”, sagt er beim Blick auf die Wasseroberfläche, „das ist unser allerwichtigstes Lebensmittel - und das Faszinierendste ist: Es wächst nicht, es ist einfach da.”

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