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Ein Jahr voller Hürden, Heimweh und Hoffnung

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Es war die Aussicht auf besser bezahlte Arbeit, auf ein Leben in besseren Verhältnissen und auf eine Perspektive für ihr Kind, die Jolanta und Mark Mann dazu brachten, ihre Heimat zu verlassen. In Litauen, wo ihre Familie der polnischen Minderheit angehört, arbeitete der 38-Jährige bei der Staatsbahn, seine Frau als Fabrikarbeiterin. 300 Euro habe er pro Monat verdient, sagt Mark Mann. Zu wenig, um die Familie zu ernähren. „Die Sachen sind dort teuer.” Über eine Leiharbeitsfirma kamen Jolanta und Mark Mann nach Deutschland - zunächst nach Dissen, wo sie beide in unterschiedlichen Unternehmen als Arbeiter im Verpackungsbereich tätig waren. Die Verhältnisse, in denen die Familie lebte, waren alles andere als menschenwürdig. Zu zehnt hätten sie in einer Vierzimmerwohnung gewohnt - mit anderen, ihnen bis dahin fremden Menschen. Die Manns arbeiteten viel, mehr Stunden als vertraglich geregelt, für einen Stundenlohn von acht Euro brutto. Bis ihnen gekündigt wurde. Sprache als Schlüssel zur Integration Mark Mann war kurz davor, wieder die Koffer zu packen und zurück nach Litauen zu gehen. Aus Heimweh, aber auch weil der Plan, in Deutschland Fuß zu fassen, zu scheitern drohte. Anders seine Frau. „Ich wollte mich hier durchbeißen”, schildert die 42-Jährige von ihrem Wunsch, unbedingt in Deutschland bleiben zu wollen. „Für mein Kind.” Zu diesem Zeitpunkt hatten Jolanta und Mark Mann bereits Kontakt zu Johann Jendryczko aufgenommen, der in Versmold als Integrationslotse tätig ist und eben jene Menschen begleitet, die sich vor Ort ein neues Leben aufbauen möchten. Was sich für die junge Familie als große Glück herausstellte. Johann Jendryczko kümmerte sich mit den Manns um eine neue, familiengerechte Bleibe in der Fleischstadt. Das Wichtigste, so sagt das Ehepaar, sei die Vermittlung des Integrationssprachkurses gewesen. Vier Stunden täglich, an fünf Tagen in der Woche drücken Jolanta und Mark Mann derzeit die Schulbank, um Deutsch zu lernen. Mark Mann, der Polnisch, Litauisch und Russisch spricht, gesteht, dass ihm Vokabeln und Grammatik noch sehr schwer fielen. Sohn Ludwig dagegen tut sich leichter mit der neuen Sprache - und mit dem neuen Leben allgemein. Der Zehnjährige besucht die vierte Klasse der Sonnenschule, hat dort Freunde gefunden und nimmt Karateunterricht. Für seine Eltern ist das der beste Grund, sich weiter durchzukämpfen, erst einmal richtig Deutsch zu lernen und dann im neuen Jahr eine vernünftige Arbeit zu finden. „Die ersten Monate waren sehr schwierig”, blickt Jolanta Mann auf ihr erstes Jahr in Deutschland zurück. Aber inzwischen habe sie sich hier gut eingelebt - auch dank der großen Unterstützung durch Johann Jendryczko und der Stadt
Versmold.
Sehnsucht nach Litauen, nach dem Land - nein, das habe sie nicht. „Aber nach meiner Familie dort”, sagt sie.

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