Quantcast
Channel: Haller Kreisblatt
Viewing all articles
Browse latest Browse all 3262

Respekt vor der Arbeit der Ahnen

$
0
0
Versmold-Bockhorst. Teilweise bis zu 1000 Jahre Arbeit stecken in den Humusschichten, dank derer die Landwirte in der eigentlich sandigen Region Nordwest-Deutschlands gute Ernten einfahren. Plaggenesch heißt dieser Boden und ist nicht ohne Grund zum Boden des Jahres 2013 gekürt worden. Der Bockhorster Landwirt Joachim Klack hat sich mit der Entstehung des Plaggeneschs beschäftigt.    „Natürlich wissen wir Bauern seit Generationen, dass der Eschboden der beste ist, den wir in diesen eigentlich sandigen Gegenden haben”, sagt Joachim Klack. „Aber die Entstehungsgeschichte war mir nie bekannt.” Doch im Rahmen der Europameisterschaft im Drehpflügen, die im September im Rothenfelder Aschendorf stattfand, wurde auch der Boden, auf dem der Wettbewerb stattfand, unter die Lupe genommen. Der Osnabrücker Agrarwissenschaftler Prof. Dr. Klaus Mueller hatte dort anhand eines Bodenprofils genau erklärt, auf welchem Grund die hiesigen Landwirte ihre Äcker bestellen. Erfolgreicher Ackerbau trotz nicht optimaler Bedingungen „Die Gletscher der letzten Eiszeit schoben dicke Sandschichten in unsere Gegend”, sagt Joachim Klack. Ein Untergrund, auf dem sich nicht wirklich etwas anbauen lässt. Das haben auch die Vorfahren der heutigen Landbewohner vor 1000 Jahren bemerkt und Wege entwickelt, um trotzdem erfolgreich Ackerbau betreiben zu können. „Sie haben Grassoden abgestochen und damit die Ställe ausgelegt”, erläutert Klack. Anschließend wurde diese Einstreu mitsamt dem Kot der Tiere kompostiert und als Dung auf die Felder gefahren. Dieses Prozedere wurde Jahr für Jahr wiederholt, wodurch die fruchtbare Bodenschicht kontinuierlich anwuchs. „Man rechnet ungefähr mit einem Millimeter pro Jahr, also zehn Zentimeter in 100 Jahren”, sagt Joachim Klack. Und anhand dieser Faustformel lässt sich auch das Alter des Ackerlandes ablesen. Denn die Bodenschicht, die aus Plaggenesch besteht, ist tiefschwarz. Während die ursprüngliche Sandschicht durch ihre hellbraune Farbe gekennzeichnet ist. Hat man also eine 80 Zentimeter tiefe Humusschicht, kann man davon ausgehen, dass dieser Acker das Ergebnis einer 800 Jahre andauernden Plaggenwirtschaft ist. Eine Tatsache, die Landwirt Joachim Klack Respekt abnötigt. „Dass Menschen hier Jahrhunderte dran gearbeitet haben, da habe ich große Ehrfurcht vor”, sagt er und schlägt noch einen weiteren Bogen. „Unsere Vorfahren haben dafür gesorgt, dass der Boden, auf dem wir leben, fruchtbar ist”, sagt Klack. „Hätten sie das nicht, dann gäbe es uns alle nicht; dann wäre keine Familie hier jemals satt geworden.” Welche Böden im Laufe der Jahre mit der Aufschichtung durch die kompostierten Gras- oder Heidesoden fruchtbar gemacht wurden und welche genau die gegenteilige Entwicklung erlebt haben, kann sehen, wer mit offenen Augen durch die Landschaft fährt. „Die Eschböden liegen meistens etwas erhöht”, sagt Klack. Während die Flächen, von denen die Grassoden ausgestochen wurden, durch den jahrhundertelangen Aushub zu Senken und zudem besonders nährstoffarm geworden sind. Für ein Hektar Eschboden mussten etwa auf fünf Hektar Grasland abgestochen werden. „Ich habe früher nie darüber nachgedacht, warum auf dem erhöhten Land vor unserem Hof fruchtbarer Boden ist, auf dem Getreide wächst, und warum die Senke hinter unserem Haus nur als Kuhwiese dient und Anbau dort zwecklos ist” , schildert Joachim Klack, wie das Grundwissen zwar über Generationen weitergetragen, jedoch nie hinterfragt wurde und so die Entstehungsgeschichte des Plaggeneschs fast in Vergessenheit geriet. Dünger läutete das Ende der Plaggenwirtschaft ein Denn seit 1918 wird die Plaggenwirtschaft nicht mehr betrieben. „Mit der Erfindung des Düngers hatte sich das erledigt”, sagt Klack. Und heute erinnern nur noch Straßennamen wie Plaggenwiese oder Eschkamp daran, wie der Boden entstanden ist. Und auch im Sprachgebrauch hat sich die Arbeitsweise erhalten. „Sich plagen kommt von dem Wort Plaggen”, sagt Joachim Klack und erzählt, dass früher die Bewohner mehrerer Höfe jeweils gemeinsam das anstrengende Abstechen der Grassoden und das Auftragen der Plaggen machten. „Alleine wäre das nicht machbar gewesen”, sagt Klack. Lebensgrundlage sollte nicht leichtfertig versiegelt werden Sein neu erworbenes Wissen über den Boden, auf dem er und viele andere in der Region leben und arbeiten, hat Joachim Klack noch ein wenig nachdenklicher gemacht. „Wir sollten darauf achten, dass wir unsere Lebensgrundlage, den fruchtbaren Boden, erhalten”, sagt er und hofft, dass auch Stadtplaner genau wissen, auf welchem Gold manch Parkplätze und Industrieflächen angesiedelt werden sollen. „Ich wünsche mir einen respektvollen Umgang mit dem, was unsere Vorfahren geschaffen haben, und nicht, dass dieser kostbare Boden einfach versiegelt wird.” (Silke Derkum)

Viewing all articles
Browse latest Browse all 3262