Von Nicole Donath
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Halle.
Rot getüncht und von einer alten Linde bedeckt, umgeben von Wiesen und Bäumen - dieser Kotten an der Tatenhausener Straße ist schon idyllisch. Und betritt man das alte Gemäuer erst einmal, wähnt man sich gar in einer anderen Welt - wenn Michael Janisch und Hannelore Krüger so an ihrem Esstisch sitzen, umgeben von über drei Meter hohen, gusseisernen Öfen aus drei Jahrhunderten, antiken Kinderwagen und Kerzenlicht erhellt den Raum. Dass das Haus neben der A33-Trasse liegt und irgendwann abgerissen werden wird, war dem Ehepaar bewusst. Der von Straßen.NRW angekündigte Termin April 2014 erstaunt die beiden jedoch, denn trotz einjähriger Kündigungsfrist haben sie bislang noch keine Kündigung erhalten.
36 Jahre ist es her, dass Michael Janisch den Mietvertrag für den Kotten unterschrieben hat und vor allem in der Anfangszeit investierte der gelernte Werkzeugmacher viel Zeit, Geld und Mühe, um das Haus so herzurichten, dass es bewohnbar wurde. 2002, als die Autobahnplanung konkretere Formen annahm, verfolgten die beiden Bewohner schließlich alle öffentlichen Anhörungsverfahren zum A 33-Bau. Mit Schreiben vom 28. Mai 2003 wurden sie schließlich zu einem Einzelgespräch eingeladen: „Das fand kurze Zeit später mit Vertretern von Straßen.NRW und der Bezirksregierung im Haller Rathaus statt”, berichtet Janisch, „anwesend waren Jens Kronsbein, Walter Boberg, Jens Foth, Ulrich Windhager und Heinrich Hansmann. Ihnen habe ich meinen Mietvertrag vorgelegt und anhand von Fotos und einer Aufstellung die wertverbessernden Maßnahmen dargestellt, die ich erbracht hatte.” Dem Einzelgespräch sei zudem ein schriftlicher Antrag auf Entschädigung sowie die Bitte um Nachweis einer anderen Wohnmöglichkeit vorausgegangen - ähnlich groß, ähnlich günstig. „Schließlich würden wir hier normalerweise nie ausziehen, wenn die Autobahn nicht kommen würde”, unterstreicht Janisch. Dass der Mietvertrag für den Kotten eine zwölfmonatige Kündigungsfrist beinhaltet, sei also definitiv Thema gewesen. Tenor des Gespräches: Sollten sich die Mieter bereiterklären, eher auszuziehen, würde man sie allgemein finanziell entschädigen.
Anruf sorgt für Verwirrung
Während Michael Janisch seitdem nichts mehr von Straßen.NRW gehört hatte, besorgte sich der Haller regelmäßig die Karten, auf denen der jeweils aktuelle Verlauf der Autobahn verzeichnet ist - und stellte dabei in diesem Sommer fest, dass im Bereich seiner Einfahrt eine Aufschüttung für die Brücke geplant ist, die eine Zufahrt zu seinem Kotten unmöglich macht. „Mein Anruf bei Straßen.NRW sorgte in Bielefeld für Verwirrung: Dort dachte man offenbar, dass der Abbruch des Kottens längst erfolgt sei und war entsprechend entsetzt”, erzählt Michael Janisch. Spätestens im April 2014, wenn die Aufschüttung zur neuen Brücke vollzogen werden soll, muss das Haus aber abgerissen sein. Wie das angesichts des bestehenden Mietvertrages geregelt wird, bleibt abzuwarten. Dasselbe gilt für die Frage der Entschädigung: „Schon jetzt hat man uns mitgeteilt, dass wir weder die zugesagte Entschädigung noch die Umzugskosten erstattet bekommen”, ergänzt Hannelore Krüger. „Der Grund: Weil 2008 ein neuer Planfeststellungsbeschluss gefasst wurde und wir nicht erneut eine Eingabe gemacht hätten, seien die alten Vereinbarungen hinfällig. Dem können wir aber entgegenhalten, dass wir nach dem 2003 erfolgten Einzelgespräch erneut hätten eingeladen und informiert werden müssen - doch das ist nie geschehen. Da haben die Behörden ganz klar versagt!”
Dann klirrt das zarte Porzellan auf dem Tisch. „Das sind die Bagger”, sagt Michael Janisch und blickt zum Fenster hinaus. „Die verdichten da drüben die Erde und hier wackeln die Wände. Der Grundwasserspiegel scheint gesunken zu sein und die Blätter der Linde werden auch immer kleiner und lichter. Idyllisch war es hier einmal, bald nicht mehr. Aber noch haben wir ja einen gültigen Mietvertrag.”