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Vom Leben in einem Denkmal

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1818 oder 1819 wurde der große Fachwerkhof erbaut. „Wann genau, lässt sich nicht sagen”, lacht Heining: „Auf dem einen Giebel steht das eine Datum, auf dem anderen das andere.” Die Hofstelle selbst sei deutlich älter, 1556 sei sie im Ravensberger Urbar zum ersten Mal urkundlich erwähnt worden. Möglicherweise wurde noch weit eher an dieser Stelle gesiedelt - zumal der Platz ideal ist: Unmittelbar am Rande eines Sieks gelegen, „das war damals wichtig”, betont Heining. „So hatten die Leute fließendes Wasser und brauchten keinen tiefen Brunnen zu graben. Beackert wurden die Flächen ringsherum, die auch genügend Futter für das Vieh boten.” Heinrich Heining fühlt sich eng mit dem seinem Hof verbunden. Er weiß es zu schätzen, dass es im Sommer in den Räumen angenehm kühl ist und im Winter relativ warm. Er mag die alten Symbole und Bilder an den Holzbalken, „als Kind waren sie ohne Bedeutung für mich, doch je länger ich in dem Haus wohne, desto wichtiger werden sie mir”, sagt er. Und er mag, dass alles ebenerdig ist, „arbeiten, leben, schlafen gehörte damals zusammen”. Was heute noch das Holzschleppen für den Kachelofen einfacher macht. Doch natürlich ist das Leben in einem Denkmal, zumal in einem so großen Denkmal, das landwirtschaftlich nicht mehr genutzt wird, keine reine Freude. „Die Deele ist riesengroß, und da wir kein Vieh mehr haben, brauchen wir sie im Grunde gar nicht.” Die Kühe hätten es damals gut gehabt, „Deele und damit Stallungen sind nach Süden ausgerichtet, wir wohnen nach Norden”. Der Weg vom Schlafzimmer zur Küche sei weit, überhaupt entspreche die räumliche Aufteilung dem Standard von vor 200 Jahren. Geister gäbe es in dem alten Gehöft zwar keine, lacht Heining, „aber das Holz knackt und knarrt, das muss man gewohnt sein”. Dann das langwierige Schneeschieben im Winter und Laubfegen im Herbst. Und schließlich die Unterhaltung des Gebäudes. „Das ist wohl am aufwendigsten”, nennt Heining einen - auch erheblichen finanziellen - Nachteil. Ständig gäbe es etwas zu tun, das Dach, das Fachwerk, die Deele, die Balken, „die Arbeit wird nicht weniger”, so Heining. Vieles sei überhaupt nur möglich, weil man es selber mache, „dennoch ist der Besitz eines Denkmals ein Zuschussgeschäft - und ein teures Hobby”, gibt er unumwunden zu. „Aber natürlich wollen wir den Hof für die folgenden Generationen erhalten.” Nicht zuletzt, weil er eindrucksvoll Zeugnis einer vergangenen Zeit ablegt. Das Charakteristische an dem niederdeutschen Hallenbau ist die große Deele. Tiere und Menschen lebten hier wortwörtlich unter einem Dach, Kühe, Schweine und gegebenenfalls Pferde vorn, gefolgt von den Mädchen- und Jungenkammern und den Räumen der Hofbesitzer. Welche Bedeutung der Heining’sche Hof historisch gesehen hat, belegt ein Angebot vor 40 Jahren. Damals hätte der Erbauer des Detmolder Freilichtmuseums, Prof. Josef Schepers, ihn gern gekauft, abgerissen und in Detmold wieder aufgebaut. „Wir wollten das damals nicht”, erzählt Heinrich Heining, und hätte sich mit seiner Familie dagegen entschieden. Und so stünde das Gebäude noch immer an der Schloßstraße in Werther und nicht im Museum in Detmold. Für Heinrich Heining bietet das Leben in einem Denkmal trotz aller Schwierigkeiten auch ein Gros an Lebensqualität. Zumal sich ihm eine Alternative nie wirklich gestellt hat. Und wenn es mal zu dicke kommt und die Probleme sich überstürzen, zitiert er eine alte, plattdeutsche Lebensweisheit: „Das eine wosse, das andere mosse - das eine willst du, das andere musst du.” ¦ Gäste sind am »Tag des offenen Denkmals« auf dem Hof Heining herzlich willkommen. Für das leibliche Wohl ist mit Kaffee, Kuchen und Getränken gesorgt. Bei gutem Wetter werden im Freien Bänke aufgebaut, bei schlechtem Wetter auf der großen Deele.

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