Steinhagen. Mehr Idylle geht nicht: In einem Holzhäuschen am See empfängt Detlef Temme seine Gesprächspartner. Vogelgezwitscher, Kaffeeduft und zwei wippende Designersessel. Temme war Steuerberater und hat sich vor ein paar Jahren als CDU-Bürgermeisterkandidat einen Namen gemacht. Jetzt nennt er sich »Der Beziehungsretter« und hat darin seine Berufung gefunden. HK-Redakteur Frank Jasper sprach mit dem 51-Jährigen über das Geheimnis einer erfolgreichen Partnerschaft. Für Temme steht fest: Veränderte, moderne Rollenmuster wirken sich oft belastend auf Beziehungen aus.
Herr Temme, Sie nennen sich »Der Beziehungsretter«. Klingt nach den besonders schweren Fällen. Wann kommen Ratsuchende zu Ihnen?
DTELEF TEMME: Wenn Reden mit dem Partner nicht mehr weiter hilft und sich die Dialoge und Verhaltensweisen nur noch wiederholen, dann kommt der Beziehungsretter zum Einsatz. Also eine Person, die von außen auf die Beziehung schaut und die richtigen Impulse geben kann, um Konflikte zu lösen.
Ihre eigene Beziehung haben Sie nicht retten können. Sie sind geschieden.
TEMME: Selbstverständlich fließen auch meine persönlichen Erfahrungen in meine Beratung ein. Das geht doch gar nicht anders. Wenn man ohne Emotionen als Außenstehender auf eine fremde Beziehung schaut, dann ist das etwas anderes, als wenn man selber in der Beziehung drinsteckt.
Warum kracht es überhaupt in so vielen Beziehungen? Wir streiten mit dem Menschen, den wir doch am meisten lieben.
TEMME: Oft sind es typische Verhaltensmuster, die sich wiederholen. Ein Beispiel. Die Frau beginnt eine Diskussion und der Mann läuft weg und geht dem Streit aus dem Weg. So kommt man natürlich nicht miteinander ins Gespräch. Außerdem haben sich die Anforderungen an Männer und Frauen stark verändert. Damit kommen vor allem Männer nicht klar.
Was meinen Sie genau?
TEMME: Die Rollen waren früher klarer definiert. Die Evolution hat dem Mann das Jagen und Sammeln zugeordnet und der Frau die Kindererziehung und die Stellung im Heim zugewiesen. So funktioniert das heute nicht mehr. Die »Nur-Hausfrau« ist ein Auslaufmodell. Mit der Emanzipation der Frau ist sie in den Bereich des Mannes eingedrungen. Sie geht heute arbeiten und fordert wiederum vom Mann, dass er sich auch der Kindererziehung und Aufgaben im Haushalt widmet. Da muss immer wieder neu ausgehandelt werden, wer denn nun für welche Bereiche zuständig ist und das birgt ganz enormes Streitpotenzial.
Sie hantieren da mit althergebrachten Geschlechterklischees. Soll die Frau zurück an den Herd und gefälligst dort bleiben, damit die Beziehung funktioniert?
TEMME: Nein, das soll kein Plädoyer für die alte Rollenverteilung sein. Vielmehr geht es darum, dass der Mann in einer Partnerschaft seiner Frau Unterstützung zuteil werden lässt, aber auch seine Position als Mann einnimmt und seine ureigenen Interessen durchsetzt. Die Rolle des modernen Mannes ist nicht leicht.
Wie meinen Sie das?
TEMME: Er soll die Familie wirtschaftlich versorgen, er soll aber auch die Frau in Haushalt und bei der Kindererziehung unterstützen. Gleichzeitig wünscht sich die Frau doch auch einen starken Mann an ihrer Seite, bei dem sie sich anlehnen und zu dem sie aufschauen kann. Das alles unter einen Hut zu bekommen, ist schwierig. Vor allem, wenn sie im Kostüm aus dem Büro kommt und er in Kochschürze mit Baby auf dem Arm am Herd steht. So ist es für die Frau doch schwer, ihn als Mann zu respektieren.
Ist das so?
TEMME: Im Unterbewussten schon. Sie findet das oberflächlich vielleicht ganz toll, wie er sich kümmert. Aber in der partnerschaftlichen Beziehung funktionieren solche umgekehrten Verhältnisse oft nicht gut. Nach und nach macht sich auf beiden Seiten Unzufriedenheit breit, es kommt zur Trennung.
Aber Sie sagen es ja selbst: Auch an die Frau werden heute mehr Anforderungen gestellt.
TEMME: Die Anforderungen an die Frau sind genauso hoch. Aber die Frau hat sich mit der Dreifachbelastung durch Beruf, Haushalt und Kindererziehung arrangiert, während der Mann seine neue Rolle erst noch finden muss. Wir brauchen eine Emanzipation des Mannes. Daher biete ich Gesprächskreise für Männer an, in denen sie zum Thema Beziehung miteinander ins Gespräch kommen können.
Die Männer sind heute also alles Weicheier?
TEMME: Das ist kein schöner Begriff. Der Mann weiß heute aber gar nicht mehr, welche Position er in einer Beziehung einnehmen muss. Oft merkt er gar nicht, dass mit der Zeit die Frau alles regelt. Ich erlebe viele Partnerschaften, wo es so abläuft: Die Frau sagt, wo es langgeht und der Mann spurt. Und während die Frau durch die Emanzipation, Gleichstellungsbeauftragte und Frauenquote Unterstützung erfahren hat in ihrer neuen Rolle, hat der Mann diese Entwicklung noch nicht so wirklich umgesetzt. Er konzentriert sich auf seinen Beruf und seine Hobbys und lässt alles, was die Beziehung und die Kinder angeht der Frau.
War denn früher alles besser?
TEMME: Nein, früher war nicht alles besser, es war anders. Die Frau war wirtschaftlich vom Mann abhängig. Da hat sich die Frau natürlich zweimal überlegt, ob sie ihren Mann verlässt. Glücklicher waren die Beziehungen deshalb früher aber auch nicht.
Was raten Sie den Partnern denn, damit sie trotz Rollenkarussell klarkommen?
TEMME: Durch unsere Anlagen und die Erziehung bringen wir ein großes Bündel von Verhaltensmustern mit. Wir haben die Partnerschaft unserer Eltern erlebt, die noch nach alten Rollenverteilungen gelebt haben. Das funktioniert heute nicht mehr. Es geht darum, einzelne Verhaltensweisen zu hinterfragen und gegebenenfalls abzuändern.
Was ist das Geheimnis einer glücklichen Partnerschaft?
TEMME: In meinen Augen ganz wichtig sind Toleranz, Wertschätzung und Verständnis dem Partner gegenüber. Dazu gehört auch, den Partner so zu akzeptieren, wie er ist.
Wie sieht das in der Praxis aus?
TEMME: In einer partnerschaftlichen Beziehung gibt es im Grunde immer drei Beziehungen: eine zwischen den Partnern, eine der Frau mit sich selbst und eine des Mannes mit sich selbst. Das heißt, es werden Dinge zusammen gemacht, aber es bedarf auch so viel Freiraum bei jedem, dass man sich in der Partnerschaft nicht verliert, sondern dass jeder etwas für sich macht und eigenständig ist. Der Mann muss auch mal mit den Jungs angeln gehen können, ohne dass das von der Frau kritisiert wird. Umgekehrt darf der Mann nicht nörgeln, wenn sie mal einen Shoppingtag einlegt.
Ab wann macht der Kampf um die Beziehung keinen Sinn mehr?
TEMME: In meinen Augen gibt es immer eine Möglichkeit, die Beziehung zu retten. Die entscheidende Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die Partner sich noch lieben und dazu bereit sind, sich weiterzuentwickeln. Wer sich noch streitet, liebt sich noch. Schlimmer ist es, wenn einem der Partner nur noch gleichgültig ist. Ich bin davon überzeugt, dass nur wer sich persönlich weiterentwickelt, in einer Partnerschaft glücklich sein kann. Man muss in der Lage sein, Kompromisse zu entwickeln und andererseits auch bei sich bleiben. Sonst gerät man in der nächsten Partnerschaft in genau die gleichen Verhaltensmuster und fühlt sich schnell wieder unglücklich.
Das heißt, der Schlüssel zur glücklichen Beziehung liegt nicht bei meinem Partner, sondern bei mir?
Temme: In erster Linie liegt er bei einem selbst - ja. Ich kann nur mich selbst verändern, den anderen nicht.
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